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DownloadNach einer Vielzahl von Insolvenzen und nun auch dem Rückzug der „Gründerin der Mittelstandsanleihesegmente“, der Börse Stuttgart, stellt sich die Frage, ob der Anleihemarkt für Mittelständler noch eine geeignete Finanzierungsalternative darstellt. Derzeit handelt es sich dabei um einen für Investoren undurchsichtigen, illiquiden Markt mit einem unausgewogenen Risiko-Rendite-Verhältnis und zu wenigen guten Emittenten. Und gerade diesem Markt steht eine große Refinanzierungswelle bevor. Gibt es für Mittelstandsanleihen noch eine Chance? Wir glauben ja, wenn man einige wesentliche Punkte beachtet.
Nach Einführung des Marktes für Mittelstandsanleihen in 2010 ging es mit dem Marktsegment zunächst stetig bergan: in den Peak-Jahren 2012 und 2013 wurden 30 bzw. 42 Mittelstandsanleihen mit einem Volumen von EUR 2,0 Mrd. bzw. EUR 3,9 Mrd. emittiert. In 2014 lag die Zahl der Neuemissionen dann nur noch bei 14 (davon allein 8 Emissionen im Bereich Real Estate), das Emissionsvolumen sank auf EUR 785 Mio. Während der Peak-Jahre verteilten sich die Emissionen auf verschiedene Börsen – den bondM der Börse Stuttgart, den mittelstandsmarkt der Börse Düsseldorf und die Frankfurter Wertpapierbörse. Im vergangenen Jahr sah das Bild ganz anders aus: alle bis auf eine Emission wurden an der Frankfurter Börse gelistet.
Als Reaktion darauf zieht sich nun mit der Börse Stuttgart diejenige Börse zurück, die das Segment geschaffen hat. Auch die Börse Düsseldorf hat ihr Ende 2010 gegründetes Segment, den mittelstandsmarkt, reformiert und den „Primärmarkt“ mit den Abstufungen A bis C gegründet. Hintergrund dieser Veränderungen ist die Vielzahl von Insolvenzen, die den Markt überschatten. Allein in 2014 haben acht Emittenten Insolvenz angemeldet, in 2013 waren es sogar neun.
Insgesamt 147 Anleihen mit einem Gesamtvolumen von ca. EUR 6,9 Mrd. stehen bis 2019 zur Rückzahlung an, der Höhepunkt wird sogar bereits im Jahr 2018, in dem 44 Anleihen fällig werden, erreicht. Erfolgreiche Unternehmen wie DIC Asset und Dürr AG konnten sich bereits im letzten Jahr erfolgreich refinanzieren. Aber bereits jetzt ist absehbar, dass viele Refinanzierungen nicht problemlos ablaufen werden. Während bonitätsstarke Unternehmen für die Finanzierung neben der Mittelstandsanleihe auch Schuldscheindarlehen, Kreditlinien, Kapitalerhöhungen oder die „Standard“-Anleihemärkte nutzen können, sind diese Alternativen für viele der Emittenten schwer zugänglich. Hat dann der Markt für Mittelstandsanleihen trotz Refinanzierungswelle noch eine Zukunft?
Nach wie vor bringt der Mittelstandsanleihemarkt viele Vorteile mit sich. Neben dem Aufbau einer breiteren Finanzierungsbasis kann ein Unternehmen u.a. eine Anleihe auf Basis bestehender Rechnungslegung, also ohne IFRS-Umstellung, emittierten und sich durch eine endfällige Tilgung Liquiditätsvorteile schaffen.
Auf was sollten die Marktteilnehmer, Emittenten und Investoren, aber achten, um das Segment erfolgreich weiter nutzen zu können? Das wichtigste Element ist die Ausgestaltung der Anleihe. Dazu gehören u.a. die Wahl der Börse sowie des Börsensegments, die Auswahl einer reputablen Bank, die Diskussion des Ratings sowie ein risikogerechtes Pricing. Zudem sollte sich das Unternehmen darüber im Klaren sein, dass die Einhaltung der Kapitalmarktinformationsansprüche zeit- und kostenintensiv ist.
1. Wahl von Börsensegment und begleitender Bank
Bei der Platzierung hatten die Emittenten bislang an den Börsen Stuttgart und Düsseldorf die Möglichkeit, eine Eigenemission durchzuführen. Dabei übernahm der Emittent allein die Prospekthaftung und begleitende Finanzinstitute agierten lediglich als Selling Agents. An der Börse Frankfurt hingegen waren von Beginn an nur Fremdemissionen, bei denen die die Transaktion begleitende Bank durch eine Mitunterzeichnung des Prospekts neben dem Emittenten das Prospekthaftungsrisiko übernimmt (und damit auch einen inhärenten Kontrollanreiz hat) möglich.
Die in den Mittelstandsanleihesegmenten vorherrschenden Strukturen führten dazu, dass bei einem Großteil der Anleihen auf eine reputable Bank als haftende Einheit verzichtet wurde – und damit auch eine Reihe von Unternehmen Anleihen emittierte, denen die Emission als Fremdemission möglicherweise nicht gelungen wäre. Mit Folgen: In Stuttgart und Düsseldorf sind bereits 18 % der Emittenten insolvent, in Frankfurt hingegen „nur“ 6%. Vor diesem Hintergrund halten wir die Einbindung einer begleitenden Bank, insbesondere auch auf Ebene des Prospektes, für eine erfolgreiche Transaktion für notwendig.
2. Ratinggläubigkeit
In den Mittelstandsanleihemärkten haben sich vier deutsche Rating-Agenturen etabliert. Da jede dieser Rating-Agenturen eine eigene Ratingmethodik hat, sind diese nur schwer miteinander vergleichbar. Zudem unterscheiden die Agenturen zwischen einem Unternehmens- und einem Anleiherating. Während bei einem Unternehmensrating auf die Bonität des Emittenten abgestellt wird, sind bei einem Anleiherating auch die Anleihebedingungen, Covenants und Sicherheiten ausschlaggebend.
In den Mittelstandssegmenten der Börsen ist nur das Unternehmensrating verpflichtend, das aber nicht die Ausfallwahrscheinlichkeit der Anleihe quantifiziert. Daher verfügten die meisten Emittenten bei Emission auch nur über ein Unternehmensrating. Dieses lag bei vielen – in 2011 und 2012 bei insgesamt 31 Emittenten – sogar im Investment Grade Bereich. Die Kupons der betroffenen Anleihen entsprachen allerdings nicht dem Kupon, der für die Absicherung eines typischen Investment Grade Risikos zu erwarten gewesen wäre, sondern waren deutlich höher. Sie signalisierten damit ein Risiko, das deutlich über das von vermeintlich relativ sicheren Investments hinausging und standen damit in einem Widerspruch zum Rating.
Die Tatsache, dass nach Emission zudem eine Vielzahl von Ratingherabstufungen festzustellen war, zeigt, dass ein Unternehmens- bzw. Anleiherating aus Investorensicht keine sichere Aussage über die Qualität eines Emittenten oder dessen Anleihe zulässt. Daher sollten die Systematiken der deutschen Ratingagenturen hinterfragt und darüber nachgedacht werden, diese Standards zu vereinheitlichen. Eine weitere Lösung ist der Rückgriff auf große internationale Ratingagenturen, die eine globale Ratingsystematik verfolgen, aber auch sehr teuer sind. Solange keiner dieser Lösungsvorschläge verfolgt wird, würden wir auf ein Rating als Qualitätskennzeichen verzichten.
3. Discountplatzierung
Am Markt existiert der Irrglaube, dass institutionelle Investoren die Anleihen zu den gleichen Konditionen kaufen wie die Privatanleger. Dies ist aber nicht der Fall: da die zum Vertrieb von Schuldverschreibungen eingesetzten Banken teilweise hohe Vertriebs- und Arrangierungsgebühren vom Emittenten erhalten, sind sie nicht selten bereit, einen Teil dieser Gebühren als Discount an institutionelle Anleger weiter zu geben. Dies führt dazu, dass institutionelle Investoren die Möglichkeit erhalten, Anleihen zu Preisen unterhalb des Emissionskurses zu erwerben und damit ihre Rendite steigern können bzw. die Möglichkeit erhalten, durch sofortigen Verkauf einen Gewinn zu erzielen. Durch diese Vorgehensweise schaffen die begleitenden Banken eine hohe Nachfrage, die Privatanlager anlockt. Denn die so geschaffene Nachfrage signalisiert, dass institutionelle Anleger hohes Interesse an der Anleihe haben und man damit als Privatanleger wohl kaum falsch liegen kann. Dass die Nachfrage – zumindest teilweise – nur besteht, weil die institutionellen Anleger die Schuldverschreibungen mit Abschlag erwerben konnten, ist den Privatanlegern, die die Anleihe nur zum Nominalbetrag erwerben können, nicht transparent. Reputable Banken werden sich auf ein solches Vorgehen nicht einlassen, denn diese Benachteiligung bestimmter Investoren müsste im Rahmen des Anleiheprospektes bekanntgegeben werden. Aus diesem Grund sollte jeder Emittent sehr hohe Vertriebs- und Arrangierungskosten vermeiden bzw. hinterfragen und die Nachfrage während des Platzierungsprozesses beobachten.
4. Auswahl geeigneter Emittenten
Die zwischenzeitlich sehr hohen Kupons sowie die ersten Insolvenzen haben die „guten“ Emittenten verschreckt und besonders die „schlechten“ Emittenten angelockt. Bei aller vorhandenen Transparenz durch vergangenheitsorientierte Prospekte ist es den Investoren überwiegend nicht geglückt, die Risiken zu erkennen. Zudem waren Markennamen sehr verlockend.
Nach wie vorher bietet der Markt für Mittelstandsanleihen Investoren aufgrund höherer Kupons hohe Renditepotenziale. Die Real-Estate-Emissionen in 2014 zeigen aber auch, dass Investoren grds. bereit sind, niedrigere Kupons zu akzeptieren, wenn das „Paket“ stimmt. Damit ist insbesondere die Qualität des Emittenten sowie die Anleihestruktur gemeint.
Was unterscheidet nun einen „guten“ Emittenten von einem „schlechten“? Wichtig ist, dass das Unternehmen über ein nachhaltig profitables Geschäftsmodell und auch über eine gewisse Mindestgröße hinsichtlich Umsatz und Bilanzsumme verfügt. Zudem muss das Volumen der Anleihe zur vorhandenen Finanzierungsstruktur und -umfang passen, um die Bedienung der Anleihe (Zinszahlungen und Rückzahlung) zu gewährleisten. Zudem sollte eine solide Strategie hinsichtlich der Mittelverwendung bei der Anleihe vorliegen.
Die Anleihe sollte zudem nicht die „letzte“ Finanzierungsmöglichkeit des Emittenten sein, seine Finanzierung zu sichern, sondern vorhandene Finanzierungsquellen wirtschaftlich sinnvoll ergänzen.
Unter Beachtung dieser Kriterien wird nicht nur ein besseres Emittentenumfeld, sondern auch eine Professionalisierung der Käuferbasis geschaffen, da sich dann zunehmend institutionelle Investoren diesem Markt wieder annehmen werden.
5. Transparenz
Aufgrund der regulatorischen Anforderungen sollte der Markt eigentlich ausreichend Transparenz für Investoren schaffen. Doch viele Emittenten tun sich mit der Transparenz sehr schwer. Emittenten, deren Aktien nicht an einer Börse gelistet sind, und die vielleicht erstmals eine Anleihe emittiert haben, unterschätzen oftmals die Anforderungen des Kapitalmarktes, die über die reine Emission hinausgehen. Die regulatorisch erforderliche und aus Marktsicht sinnvolle regelmäßige Kommunikation nehmen einige Anleiheemittenten daher nicht ernst, so dass beispielsweise die Ad-hoc-Pflicht nicht selten missachtet wird. Gelegentlich scheint dies an mangelnden Kapazitäten im relevanten Bereich oder der Tatsache zu liegen, dass der hierfür erforderliche Aufwand dem Emittenten im Vorfeld der Transaktion nicht bewusst war oder bewusst gemacht wurde. Die Begleitung von Anleihetransaktionen durch mit der Materie vertrauten Banken kann hier nicht nur zur Aufklärung beitragen und Hilfestellung geben, sondern auch den Kapitalmarkt vor Emittenten bewahren helfen, die der Erfüllung von Listingfolgepflichten nicht gewachsen sind.
Fazit
Wenn die Emittenten auf eine transparente Struktur der Anleihe achten und die Börsen und die beratenden Banken im Vorfeld eine stärkere Selektion im Emittentenkreis vornehmen, sollte mittelfristig dafür gesorgt sein, dass für (institutionelle) Investoren interessante Qualitätsunternehmen den Markt betreten. Wenn das geschieht, wird sich auch der Markt wieder beleben und Anleihen werden für den Mittelstand als Finanzierungsinstrument eine Zukunft haben.
Helena Voith von Voithenberg & Martin Dörscher,
Corporate Finance
Mai 2015
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