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Corporate FinanceOffen gesprochen
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DownloadDie Jahre 2012 und 2013 könnten als Periode der kreativen Listings in die Annalen des deutschen Aktienmarktes eingehen. Siemens brachte Osram durch eine Abspaltung an den Markt, bei Evonik erfolgte die Aufnahme der Notierung im Frühjahr 2013 nach einer limitierten Privatplatzierung, Lotto24 wurde nach Sachausschüttung gelistet und die RTL Group wurde als Secondary wie ein IPO platziert, nachdem die Aktien der Gesellschaft bereits mit geringem Freefloat in Luxemburg und Brüssel gehandelt wurden. Demgegenüber sind klassische Börsengänge mit einem öffentlichen Angebot seit Jahren nur bedingt erfolgreich. In den letzten beiden Jahren wurde der IPO der Constantia Flexibles vor Erstnotiz abgebrochen, die Deutsche Annington und Talanx konnten erst im zweiten Anlauf mit verringertem Preis und Volumen platziert werden und auch Bastei Lübbe musste gegenüber dem Kapitalmarkt erhebliche Zugeständnisse machen, bis dieser die angebotenen Aktien übernahm. Lediglich Kion – mit Unterstützung des zuvor eingetretenen strategischen chinesischen Ankeraktionärs Weichai – und LEG konnten 2013 im ersten Anlauf über das klassische öffentliche Angebot platziert werden. Es stellt sich damit die Frage, ob der Weg durch die Hintertür an den Kapitalmarkt auch für künftige Börsengänge eine empfehlenswerte Alternative ist oder ob derartige Strukturen sogar vorrangig angestrebt werden sollten.
Die Performance von Unternehmen am Kapitalmarkt ist zurzeit nicht schlecht. Die Bewertungen des DAX liegen mit einem durchschnittlichen KGV von etwas über 13 in einer für Investoren attraktiven Größenordnung. Viele Private Equity-Investoren haben in den letzten Jahren den Kapitalmarkt zumindest als Exit-Alternative im Rahmen eines Dual-Track-Verfahrens, d.h. parallel zum Verkauf über einen M&A-Prozess, geprüft, damit aber auch einen Teil der Marktteilnehmer verschreckt und das IPO-Klima belastet. Viel wichtiger ist der Kapitalmarkt aber für Unternehmen, die diesen für Kapitalerhöhungen oder die Umplatzierung von Minderheitsanteilen nutzen wollen. Für diese Unternehmen ist der Kapitalmarkt trotz der hohen Liquidität im Private Equity-Segment häufig die einzige sinnvolle Möglichkeit, ihre Unternehmensziele umzusetzen.
Soweit das Listing der Aktien eines Unternehmens an der Börse als sinnvoller Schritt identifiziert wird, stellt sich heute immer häufiger die Frage, ob der klassische Weg über einen IPO mit einem Freefloat von mehr als 25% bei Zulassung gewählt werden soll oder ob man den für die Zulassung im regulierten Markt inoffiziell erforderlichen minimalen Streubesitz von mindestens 10% z.B. im Rahmen einer Privatplatzierung schafft, das Unternehmen listet und die wünschenswerte Börsenliquidität dann zu einem späteren Zeitpunkt über eine Kapitalerhöhung und/oder durch die Umplatzierung von bereits gelisteten Aktien im Rahmen eines Accelerated Bookbuilding erreicht. Die Vorteile einer solchen Vorgehensweise liegen auf der Hand:
Es fragt sich aber, ob diesen offensichtlichen Vorteilen materielle Nachteile entgegen stehen. Diese könnten darin liegen, dass durch den geringen Streubesitz nur geringere Preise durchgesetzt werden können oder dass die Aktie dauerhaft von diesem Weg durch die Hintertür an den Kapitalmarkt belastet bleibt. Zudem könnte die Erwartung der Investoren, dass es kurzfristig zu einer (weiteren) Kapitalerhöhung bzw. Umplatzierung kommen wird, den Preis belasten.
Diese Risiken empirisch zu bewerten, erscheint aufgrund einer wohl nicht repräsentativen Grundgesamtheit kaum möglich. Osram zeigt seit Ausgliederung eine Kursperformance von 92%, RTL von 61%. Beide Gesellschaften scheinen offensichtlich nicht unter ihrem ungewöhnlichen Börsenstart zu leiden. Evonik hingegen zeigt seit Listing eine negative Kursperformance von -15%. Umgekehrt ist die Talanx Aktie mit einem vergleichbar niedrigen Streubesitz seit Listing um über 30% gestiegen. Sieht man sich die Analystenberichte der Gesellschaften an, so können beide Kursentwicklungen durch die jeweiligen operativen Entwicklungen begründet werden. Die Bewertungen befinden sich innerhalb der Peer Group. Der geringe Streubesitz wird hingegen nicht als Begründung für die absolute Höhe der Kurse oder die Kursentwicklung herangezogen. Gleichwohl ist allgemein bekannt, dass Liquidität ein Werttreiber börsengelisteter Unternehmen ist.
Natürlich handelt es sich bei den genannten Unternehmen um größere Gesellschaften mit jeweils mehr als EUR 2,5 Mrd. Marktkapitalisierung bei Emission. Entsprechend liegt der Streubesitz in absoluten Zahlen immer bei über EUR 250 Mio. Für diese Gesellschaften scheint der niedrige Streubesitz-Prozentsatz folglich nicht unmittelbar die Kurse zu belasten.
Bei kleineren Gesellschaften muss dies natürlich kritischer gesehen werden, da mit einer geringeren Streubesitz-Marktkapitalisierung auch die Anzahl der potentiellen Investoren abnimmt. Nur stellt sich auch hier die Frage, ob es erfolgversprechender ist, das ungelistete Unternehmen über einen IPO oder die Kapitalerhöhung eines bereits gelisteten Unternehmens mit geringem Streubesitz zu platzieren. Für die spätere Kapitalerhöhung spricht, dass die Gesellschaft eine Kurshistorie hat, durch Analystenreports über einen längeren Zeitraum begleitet wurde und idealerweise schon bewiesen hat, dass angekündigte Ziele tatsächlich erreicht werden. Auch das Thema IPO-Abschlag bezieht sich nur auf den beim Erstlisting gestreuten (kleineren) Anteil an der Gesellschaft. Umgekehrt besteht natürlich die Gefahr, dass auch eine Kapitalerhöhung nicht zu akzeptablen Kursen am Markt platziert werden kann und das Unternehmen dann am Kapitalmarkt „ gefangen“ ist.
Es bleibt wohl der Einschätzung eines jeden Kapitalmarktspezialisten vorbehalten, zu beurteilen, ob für den jeweiligen Börsenkandidaten ein alternatives Börsenlisting als empfehlenswert erscheint oder nicht. Gute Argumente, auch diese Wege bei einer Auseinandersetzung mit dem Thema IPO zu beleuchten, gibt es in jedem Fall. Der amerikanische Kapitalmarkt zeigt bereits wieder eine rekordverdächtige Anzahl neuer IPOs und sehr hohe Bewertungen. Vielleicht gelingt es, durch innovative Wege auch wieder eine größere Zahl von Unternehmen für den deutschen Kapitalmarkt zu gewinnen.
Dr. Jens Kruse, Corporate Finance
März 2014
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