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DownloadVor zwei Jahren haben wir in dieser Reihe einen Artikel mit folgender Fragestellung veröffentlicht: Übernehmen Finanzinvestoren die Finanzierung der deutschen Schifffahrt? Nun: Sie haben die Finanzierung sicherlich nicht übernommen, aber im internationalen Kontext deutlich an Bedeutung gewonnen und, wo es Equity Story und Marktpreise zuließen, massiv in die Schifffahrtsbranche investiert, vor allem in energieeffiziente Neubauten. Die abschließende These des Artikels besagte, dass es notwendig sei, die Refinanzierungsstruktur deutscher Reedereien breit zu diversifizieren und dabei die wachsende Bedeutung des Kapitalmarkts zu berücksichtigen. Welche Rolle sehen wir nun heute für den Kapitalmarkt in der deutschen Schifffahrt?
Die Entwicklung der letzten zwei Jahre zeigt, dass es einige Bemühungen deutscher Reedereien gab, sich dem Kapitalmarkt zu öffnen und über entsprechende Produkte und Strukturen Eigen- bzw. Fremdkapital einzuwerben. Die Rickmers Holding hat eine Mittelstandsanleihe begeben, Nordcap Offshore, angabegemäß mit E. R. Schifffahrt verbunden, hatte einen IPO an der Börse Oslo vorbereitet. Eine große Bremer Reederei plant zur Finanzierung eines Offshore-Projekts die Emission eines High Yield Bonds an der Börse Oslo und die Lloyd Fonds AG beabsichtigt, die Schiffe von diversen von ihr initiierten Schifffahrts-KGs gegen Ausgabe von börslich handelbaren Aktien zu übernehmen. Weitere Aktivitäten deutscher Reedereien, vorwiegend zur Emission von Anleihen, hatten oftmals nicht den gewünschten Erfolg. Mit Blick auf die erfolgreiche Emission zahlreicher Anleihen, IPOs und Kapitalerhöhungen von nicht in Deutschland ansässigen Schifffahrtsunternehmen, speziell an der Börse Oslo, stellt sich die Frage: Warum gibt es in Deutschland bisher kaum börsennotierte Schifffahrtsgesellschaften bzw. Schifffahrtsgesellschaften mit börsennotierten Anleihen? Vor dem Hintergrund des großen Erfolges des norwegischen Kapitalmarktes, gerade des norwegischen Bondmarktes und des Nordic ABM, dem alternativen Bondmarkt der Börse Oslo, wollen wir dieses Marktsegment kurz vorstellen und Unterschiede zum deutschen Kapitalmarkt, hier in erster Linie dem Markt für Mittelstandsanleihen, darstellen.
Betrachtet man die Entwicklung des norwegischen Bondmarktes zwischen 2010 und 2015, so stellt man fest, dass sich das jährliche Emissionsvolumen in diesem Zeitraum von rd. EUR 3,5 Mrd. auf nahezu EUR 8 Mrd. im Jahr 2014 bei kontinuierlichem jährlichen Wachstum mehr als verdoppelt hat. Das Emissionsvolumen betrug 2014 somit das Zehnfache des Platzierungsvolumens aller deutschen Mittelstandssegmente zusammen. Vergleicht man das Emissionsvolumen der beiden Märkte im Jahr 2013, dem absoluten Boom-Jahr für deutsche Mittelstandsanleihen, dann war das Emissionsvolumen für Anleihen an der Börse Oslo immer noch doppelt so hoch. Doch worauf basiert nun dieser Erfolg der Börse Oslo und der dortigen Emittenten?
Verglichen mit dem deutschen Markt gibt es im Wesentlichen drei Unterschiede: die generelle Kapitalmarktstruktur, die Segmentschwerpunkte innerhalb der Schifffahrt und die Kapitalmarktaffinität der Emittenten.
Kapitalmarktstruktur
Der entscheidende Unterschied in der Kapitalmarktstruktur ergibt sich aus der 2005 erfolgten Entscheidung der Börse Oslo, bestimmte EU-Direktiven nicht umzusetzen und neben einem regulierten Marktsegment den Nordic ABM, einen alternativen Bondmarkt, zu etablieren. Kapitalmarktrechtlich betrachtet geht es hauptsächlich um die Frage, wann eine Emission ein öffentliches Angebot darstellt, welche Publizitätspflichten sich daraus ableiten und welche Haftungsregelungen anwendbar sind.
Der Nordic ABM ist ein unregulierter Markt im Sinne der MiFID. Seine Marktregeln wurden und werden in enger Zusammenarbeit mit professionellen, in der Regel institutionellen Marktteilnehmern entwickelt, um deren Ansprüchen zu genügen. Der Schutz nicht professioneller Anleger, insbesondere des klassischen Retail-Investors, steht nicht im Vordergrund. Im Unterschied zu einem öffentlichen Angebot in Deutschland können Businessplan und in die Zukunft gerichtete Aussagen offen und klar kommuniziert werden, ohne dass der Emittent Gefahr läuft, direkt in Haftungsprobleme hineinzulaufen. Dies wiederum ermöglicht einen sehr frühen Investorenkontakt und somit schnelles Feedback hinsichtlich der Platzierbarkeit. Norwegen spielt seine Vorteile aus, die sich dadurch ergeben, dass das Land nicht Mitglied der EU ist. So sind etwa die Strukturierungs- und Regulierungskosten niedriger; ein Faktor, der im Übrigen auch einige US-amerikanische Emittenten angezogen hat.
Segmentschwerpunkte innerhalb der Schifffahrt
Werden die Emissionen nach Industriesektor und Schifffahrtssegment analysiert, ist festzustellen, dass die Erdölförder- und Serviceindustrie, und darauf basierend die Offshore-Schifffahrt, das Fundament des norwegischen Marktes bilden. Kumuliert stehen diese drei Bereiche für rd. 50 % des Emissionsvolumens. Dadurch, dass die Erdölindustrie aufgrund des hohen Ölpreises in den letzten Jahren florierte, ging es auch den damit direkt und indirekt in Verbindung stehenden Schifffahrtssegmenten noch vergleichsweise gut. Die Abkühlung des norwegischen Marktes im 2. Halbjahr 2014 (nur noch EUR 1,5 Mrd. Emissionsvolumen) aufgrund des stark rückläufigen Ölpreises belegt den dargestellten Zusammenhang deutlich.
Emissionen von Schifffahrtsunternehmen, die nicht diesem Bereich zuzuordnen sind, machen rd. 15 % des Emissionsvolumens am norwegischen Markt aus. Ein Großteil dieser Emittenten wiederum kommt aus den Bereichen Bulk- und Tankerschifffahrt. Spiegelt man diese Struktur nun gegen die der deutschen Schifffahrt, kommt man zu einer geringen Überschneidung. Der Bereich Containerschifffahrt fehlt beispielsweise komplett. Vor dem Hintergrund des enormen Refinanzierungsbedarfs der Containerreedereien stellt sich die Frage, woran dies liegt. Die Antwort liegt in der Struktur der jeweiligen Segmente der Schifffahrt. Während sich in der Schwergut-, der Massengut- und teilweise in der Tankschifffahrt eine ganze Reihe voll integrierter Schifffahrtsunternehmen mit direktem Kundenzugang etabliert und gehalten haben, hat sich in der Containerschifffahrt eine deutlich Trennung zwischen Eigentum und Kunden-/Ladungszugang entwickelt. Die Kundenbasis für Trampreeder hat sich aufgrund der starken Konzentration auf internationale Carrier wie Maersk, Hapag Lloyd oder CMA CGM deutlich reduziert. Diese hohe Abhängigkeit einzelner Trampreeder von einigen wenigen Carriern kombiniert mit der stark projektbasierten Finanzierungsstruktur dieser Reedereien eignet sich nur bedingt für die Emission von Anleihen. Die Umstellung dieser Strukturen auf eine „unternehmensbasierte Finanzierungsstruktur“ benötigt eine gewisse Zeit und liegt häufig nicht ausschließlich in der Hand der jeweiligen Reederei.
Kapitalmarktaffinität der Emittenten
Obwohl auch viele norwegische Reedereien traditionsreiche Familienunternehmen mit langer Historie sind, gibt es kaum eine größere Reederei, die nicht schon seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten am Kapitalmarkt aktiv ist. Klaveness, Fred Olsen, Stolt-Nielsen, Siem Offshore und Western Bulk sind hierfür Beispiele. Viele dieser Unternehmen nutzen den Kapitalmarkt sowohl für ihre Fremd- als auch für ihre Eigenkapitalfinanzierung und zeigen, dass Familienunternehmen und Kapitalmarkt nicht im Widerspruch zueinander stehen. Betrachtet man hingegen die großen deutschen Reedereien, so haben diese – auch historisch – versucht, den Kapitalmarkt eher zu meiden und die Finanzierung ausschließlich durch thesaurierte Gewinne, geschlossene Fonds und über Banken darzustellen. Über Jahre eingefahrene Strukturen aufzubrechen, Transparenz zu gewährleisten und nach außen hin zu dokumentieren, projektbasierte auf unternehmensbasierte Finanzierungsstrukturen umzustellen, IFRS-basierte Buchführung und quartalsweise Berichterstattung einzuführen – all dies sind zu lösende Herausforderungen auf dem Weg zu einem kapitalmarktorientierten Unternehmen. Der entscheidende Punkt ist aber der Wille, den Kapitalmarkt zu nutzen und dessen Spielregeln zu beachten. Betrachtet man den Kapitalmarkt als ein notwendiges Übel, wird man auf Dauer nicht erfolgreich sein.
Was bedeutet dies nun für den deutschen Reeder und seine Möglichkeit, sich künftig am Kapitalmarkt zu finanzieren? Zunächst muss festgestellt werden, dass der Kapitalmarkt für viele Reeder zurzeit eine von nur sehr wenigen Refinanzierungsmöglichkeiten ist. Der Kapitalmarkt, insbesondere der norwegische, ist offen, stellt aber hohe Anforderungen an die Professionalität und Transparenz. Vor dem Hintergrund der professionellen Investorenstruktur werden Anleihen risikoadäquat gepreist, wobei „unternehmensbasierte Strukturen“ deutlich besser platziert werden können als projektbasierte Strukturen.
Ken Kinscher, Corporate Finance
Februar 2015
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