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DownloadVenture Capital ist heutzutage nicht nur eine attraktive Anlageklasse, es ist vielmehr der Katalysator vieler Industrien. Durch die rasante Entwicklung von Innovationen tragen Wachstumsunternehmen maßgeblich zum technischen Fortschritt bei und verändern mit ihren neuen Geschäftsmodellen das Handeln von Unternehmen und Konsumenten. Mit ihren Innovationsimpulsen auf etablierten Märkten sind Wachstumsunternehmen daher auch ein wesentlicher Treiber der digitalen Transformation. Gefördert wird diese Entwicklung durch verbesserte Rahmenbedingungen bei der Gründung, Kommerzialisierung und Finanzierung von Wachstumsunternehmen. Neben guten Gründern und überzeugenden Geschäftsmodellen gehört insbesondere der Zugang zu Wachstumskapital zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren eines Wachstumsunternehmens. Aber ist das Finanzierungsumfeld in Deutschland so stabil, dass innovative Technologieunternehmen über ausreichend Kapital für das Wachstum und damit letztlich für eine erfolgreiche Unternehmensentwicklung verfügen? Und gilt dies für sämtliche Entwicklungsphasen und auch für hochtechnologische, aber kapitalintensivere Geschäftsmodelle, welche die deutsche Wirtschaft seit Jahren prägen? Oder sind diese nach wie vor auf ausländische Investoren angewiesen, wie es Johannes Reck, Gründer von Getyourguide, kürzlich im Handelsblatt mit Blick auf den Einstieg von Softbank Vision Fund aus Japan und Spark Capital aus dem Silicon Valley beschrieb?
Die heutige Bedeutung der internationalen Venture-Capital-Szene zeigt sich darin, dass sich nach dem Silicon Valley inzwischen zahlreiche Venture-Metropolen wie London, Tel Aviv, Paris, New York oder Peking entwickelt haben. Auch in Deutschland entwickeln sich neben Berlin weitere Ökosysteme, beispielsweise in München und Hamburg. Diese länderübergreifende Entwicklung ist ein Indiz dafür, dass sich der Venture-Capital-Markt international etabliert und gefestigt hat. Gestützt wird das wachsende Ökosystem durch die zunehmend ausgeprägte Gründer- und Innovationskultur auf der einen Seite und eine engere Verzahnung von Forschung, Wirtschaft und Politik auf der anderen Seite. Während Ausgründungen von Forschungseinrichtungen und Fördermittelprogramme die Entstehung und Anschubfinanzierung neuer Geschäftsmodelle unterstützen, trägt die Zusammenarbeit von innovativen Wachstumsunternehmen und etablierten (mittelständischen) Unternehmen, die sich im Rahmen des „Corporate Venturing“-Trends verstärkt hat und in Form von strategischen Kooperationen einen wechselseitigen Technologie- und Wissenstransfer gewährleistet, zur Etablierung von Geschäftsmodellen und Befruchtung von „Old & New Economy“ bei.
Globale Entwicklung: Anzahl Venture-Capital-Transaktionen (2009 vs. 2018) |
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Quelle: CB Insights |
Neben diesen Rahmenbedingungen ist der Zugang zu Wachstumskapital ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Wachstumsunternehmen. Auch hier sind positive Entwicklungen festzustellen, die den Venture-Capital-Markt auf ein breiteres Fundament stellen. Nicht nur, dass die Anzahl, Größe und Internationalität von Venture-Capital-Fonds in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, auch führt die Erweiterung des Investorenuniversums um Privatinvestoren bzw. Family Offices und strategische Investoren, letztere zunehmend auch minderheitlich über sog. „Corporate Venture Capital“ (CVC)-Vehikel, zu einer verbesserten Kapitalverfügbarkeit für Wachstumsunternehmen. Nicht selten besteht heutzutage der Gesellschafterkreis von Technologieunternehmen aus Vertretern verschiedener Investorengruppen, die allesamt minderheitlich beteiligt sind und jeweils einzeln in bestimmten Unternehmensphasen sowie im Austausch miteinander Mehrwert bieten können. So konnten im europäischen Venture-Capital-Markt Anzahl und Höhe der Investments in den letzten Jahren erheblich gesteigert und dem Niveau der USA angenähert werden.
DACH-Region: Volumen und Anzahl von Venture-Capital-Transaktionen nach Herkunft der Investoren | DACH-Region: Entwicklung der durchschnittlichen Transaktionsgröße (Median) | |
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Quelle: PitchBook |
Das gestiegene Volumen von Finanzierungsrunden begünstigt die Etablierung und Expansion innovativer Geschäftsmodelle. Insbesondere schnell skalierbare (Internet und Software-) Geschäftsmodelle können mittlerweile in frühen Unternehmensphasen der „Seed“ und „Early Stage“ auf ein breites Investorenumfeld in Deutschland zugreifen.
Weisen Wachstumsunternehmen jedoch einen für die jeweilige Phase überdurchschnittlich hohen Kapitalbedarf auf oder benötigen sie aufgrund bestimmter Entwicklungs- bzw. Expansionsvorhaben einen substanziellen Kapitalbetrag, so stehen sie im deutschen Venture-Capital-Markt immer wieder vor großen Herausforderungen. Dies liegt einerseits daran, dass viele Venture-Capital-Geber sich eine sehr eng definierte Investmentstrategie vorgeben, in dem sie den Finanzierungszyklus auf mehrere Finanzierungsrunden verteilen (Seed, Series A, Series B, etc.) und pro Finanzierungsrunde konkrete Schwellenwerte in Bezug auf Finanzierungs- und Anteilshöhe definiert haben, wovon sie nur selten abweichen. Andererseits ist trotz einer merklich verbesserten Venture-Capital-Investmentkultur die Risikobereitschaft in Deutschland dahingehend begrenzt, dass die Bereitstellung eines verhältnismäßig hohen Kapitalbetrags, wie dies z.B. in den USA regelmäßig zu beobachten ist, nur selten vorkommt. Dies gilt insbesondere für kapitalintensivere Geschäftsmodelle aus dem Technologiebereich wie bspw. HighTech- oder BioTech-Unternehmen, die meist eine mehrjährige Forschungs- und Entwicklungsphase von „Hardware“-Technologien finanzieren müssen, bevor Märkte erschlossen und erste Erlöse realisiert werden können. Diese Technologieunternehmen, die mit der entwickelten IP i.d.R. Substanz und nachhaltige Wettbewerbsvorteile vorweisen können, stellen – wie im Fall der Robotik und deren Teilgebieten Informatik (inkl. KI), Elektrotechnik und Maschinenbau – Schlüsseltechnologien der deutschen Wirtschaft dar, die im internationalen Vergleich (noch) führend sind. Gerade diese Geschäftsmodelle stoßen jedoch bei der Kapitaleinwerbung in Deutschland regelmäßig an Grenzen, insbesondere in der Entwicklungsphase (vor ersten Erlösen), aber auch in der Expansionsphase. Nicht selten weichen deutsche Wachstumsunternehmen daher auf andere, internationale Märkte aus und nehmen Investoren z.B. aus den USA oder China auf. Konsequenz ist, dass deutsche Wachstumsunternehmen oft durch größere Ankerinvestoren aus dem Ausland gesteuert werden. Ein Abfluss von Knowhow ist hier nicht auszuschließen. Das gestiegene Volumen von Finanzierungsrunden begünstigt die Etablierung und Expansion innovativer Geschäftsmodelle. Insbesondere schnell skalierbare (Internet und Software-) Geschäftsmodelle können mittlerweile in frühen Unternehmensphasen der „Seed“ und „Early Stage“ auf ein breites Investorenumfeld in Deutschland zugreifen.
Der Zugang zu Investoren mit entsprechender Investitionsbereitschaft ist also elementar für eine erfolgreiche Entwicklung dieser Hochtechnologieunternehmen. Im Private-Equity-Bereich in Deutschland sind dies – neben einzelnen größeren, meist spezialisierten Venture-Capital-Fonds – oft unternehmerische Investoren, einschließlich Unternehmerfamilien und strategische Investoren, die eine andere Motivation bzw. (Weit-)Sicht bei der Beurteilung der Technologien haben. Strategische Investoren können beispielsweise bei der Erschließung neuer Märkte wichtige Pilotkunden und zugleich Seed-Investoren sein. Doch meist fehlt den Unternehmen der Zugang zu solchen Investoren. Kann dieser aufgebaut werden, werden einzelne Investments strategischer Investoren nach wie vor durch Vorbehalte bei Wachstumsunternehmen (z.B. möglicher Wegfall des „Trade-Sale Exit-Kanals“) oder umfassende Mitspracheforderungen von Strategen verhindert. Darüber hinaus stoßen Wachstumsunternehmen trotz vorhandener Investitionsbereitschaft vor allem bei verhältnismäßig hohen Wachstumsfinanzierungen regelmäßig an Grenzen. Auch die aus dem Bewertungsniveau abzuleitende Anteilshöhe ist in der Anlaufphase wie auch in der späteren Expansionsphase, in der klassische (Early & Later Stage) Venture-Investoren kaum mehr in Frage kommen, eine kritische Hürde bei der Kapitalisierung.
Gerade hier könnte der Kapitalmarkt eine attraktive Alternative zur Wachstumsfinanzierung darstellen. So interessieren sich Kapitalmarktinvestoren seit einiger Zeit sehr für wachstumsstarke Technologieunternehmen und sind zunehmend bereit, in diese auch zu vergleichsweise hohen Bewertungen zu investieren. Dies zeigt sich auch deutlich an den gestiegenen Bewertungsniveaus börsennotierter Technologieunternehmen in Deutschland.
Entwicklung Bewertungsmultiplikatoren der TecDax-Unternehmen |
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Quelle: Bloomberg |
Wachstumsunternehmen können über den Kapitalmarkt nicht nur einmalig beim Börsengang, sondern auch kontinuierlich über Kapitalerhöhungen Wachstumskapital beschaffen. Der Einstieg neuer Investoren ist hier i.d.R. schnell und flexibel möglich. Dadurch kann die Investorenbasis erweitert und die gezielte Aufnahme einzelner Investoren verbessert werden. Dies kann bei größeren (ggf. strategisch motivierten) Altinvestoren zu einer besseren Balance in der Investorenbasis führen und den Gründern beispielsweise auch einen Gegenpol zu starken Ankerinvestoren bieten. Die geschaffene Liquidität von Anteilen, die dadurch als Sicherheiten dienen können, kann zudem die Fremdfinanzierungsmöglichkeit verbessern und darüber hinaus Zugang zu alternativen Finanzierungsinstrumenten wie Wandel- und Optionsanleihen bieten. Auf der anderen Seite sind Anteilsverkäufe („Secondaries“) über den Kapitalmarkt einfacher möglich. Auch können Aktien bei Zukäufen z.B. im Rahmen von „Buy-and-Build“-Strategien als Währung genutzt werden und somit die Finanzierung erleichtern. Aber nicht nur bei der Finanzierung und Handelbarkeit kann der Kapitalmarkt Vorteile bieten. Auch kann durch die Börsennotiz die Unternehmensführung professionalisiert, die Wahrnehmung vergrößert und die Incentivierung von Mitarbeitern vereinfacht werden. All diese Vorteile sollten in den meisten Fällen die mit der Börsennotiz verbundenen Kosten und Pflichten überwiegen. Allerdings sollten die für den Kapitalmarkt notwendigen Voraussetzungen (u.a. organisatorisches Setup) erfüllt und eine kritische Größe bei der Marktkapitalisierung gewährleistet sein. Zudem sollte das Kapitalmarktumfeld beachtet werden. Ein verfrühter oder falsch terminierter Gang an die Börse kann die Vorteile der Börsennotiz wettmachen und im schlimmsten Fall zu Wert- und Reputationsverlusten führen.
Vor diesem Hintergrund ist die gezielte Evaluierung und Vorbereitung eines Börsengangs elementar für eine erfolgreiche Nutzung des Kapitalmarkts zur Wachstumsfinanzierung. Idealerweise sollten diese Vorbereitungsmaßnahmen parallel zur Finanzierung über private Wachstumsinvestoren erfolgen. Dadurch kann einerseits über die private Finanzierungsrunde kurzfristig Liquidität sichergestellt werden. Zudem können bereits erste kapitalmarktnahe Investoren im Rahmen von „Pre-IPO“-Finanzierungsrunden aufgenommen werden. Andererseits können über den IPO-Track vorgelagerte Sondierungsgespräche mit der Börse und ausgewählten Kapitalmarktinvestoren geführt werden. Sollten die Voraussetzungen durch das Wachstumsunternehmen erfüllt und das Markt- und Investorenumfeld günstig sein, kann die Umsetzung des IPO-Tracks kurzfristig initiiert werden. Neben der üblichen Kapitalaufnahme beim Börsengang wäre dabei auch ein einfaches Listing denkbar, um die Vorteile der Börsennotiz kurzfristig nutzen und später zum passenden Zeitpunkt eine Kapitalerhöhung vornehmen zu können.
Letztlich kann der Kapitalmarkt also für Wachstumsunternehmen eine interessante Finanzierungsoption sein und damit das Ökosystem des deutschen Venture-Capital-Markts arrondieren. Zwar hat sich der private Venture-Capital-Markt in den letzten Jahren angesichts der verbesserten Rahmenbedingungen, des erweiterten und verzahnten Investorenuniversums und einer offeneren Venture-Capital-Investmentkultur merklich gefestigt. Dennoch sind bei höheren Volumina und Bewertungsniveaus Lücken im deutschen Venture-Capital-Markt festzustellen, die über alternative Finanzierungswege wie den Kapitalmarkt gefüllt werden können. Die frühzeitige Evaluierung und Vorbereitung eines Börsengangs flankierend zur Finanzierung über private Geldgeber erscheint hierbei sinnvoll, um kurzfristig Liquidität sicherzustellen und zugleich die notwendigen Voraussetzungen für den Kapitalmarkt zu erfüllen. So können für Wachstumsunternehmen verschiedene Finanzierungsoptionen aufgebaut und für die Aussteuerung der Finanzierung genutzt werden.
Rolf Schulte
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Dr. Roman Rocke
Leiter Corporate Finance
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