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DownloadIm Juni bzw. August haben mit GRENKELEASING ein SDAX- und mit STRATEC Biomedical ein TecDAX-Unternehmen von Inhaber- auf Namensaktien umgestellt. Sie sind Teil einer Gruppe von Unternehmen, die in den vergangenen Jahren die Umstellung auf Namensaktien vollzogen haben – häufig nach vielen Jahren der Börsennotiz. Handelt es sich bei Namenspapieren um einen Trend, den man nicht verschlafen sollte?
Während des Börsen-Booms am Neuen Markt boten die Emittenten ganz überwiegend Inhaberaktien an. Nur jeder Fünfte der im NEMAX 50 zum Zeitpunkt seiner Einstellung im Jahr 2004 vertretenen Emittenten verfügte über Namensaktien. Auch beim erneuten Boom in den Jahren 2006/2007 verhielt es sich nicht anders: Nur bei knapp 20% der Börsengänge 2006 wurden Namensaktien angeboten.
Seither hat sich das Bild geändert. Bei den 13 in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres erfolgten Notierungsaufnahmen und Börsengängen im Regulierten Markt an der Frankfurter Börse entschieden sich immerhin schon fünf Unternehmen – und damit 38% – für die Namensaktie. Ähnlich sah es im Jahr 2013 aus, als knapp 45% der Neuemissionen und Notierungsaufnahmen in Namensaktien erfolgten. Das Jahr 2014, in dem sich nur ein Emittent von 14 für die Namensaktie entschied, stellte hingegen einen „Ausreißer“ dar.
Neben Emissionen von Namensaktien sind auch Umstellungen von Inhaber- auf Namensaktien immer wieder zu beobachten. Bei drei Umstellungen von börsennotierten Unternehmen zwischen Januar und August 2015, einer Umstellung im Jahr 2014 und zwei Umstellungen im Jahr 2013 kann man zwar nicht von einem Ansturm sprechen. Es haben sich aber neben vielen kleineren Gesellschaften in den letzten fünf Jahren mit BASF, adidas, K+S, Gesco, Hugo Boss und der Deutschen Beteiligungs AG auch zahlreiche namhafte Emittenten zu einem solchen Schritt entschieden. Tatsache ist, dass mittlerweile die Hälfte der DAX-, ein reichliches Drittel der MDAX-, ein knappes Drittel der TecDAX- und sowie ein knappes Viertel der SDAX-Unternehmen über ein Aktienregister verfügt.
Die Informationsbroschüren zur Hauptversammlung, die die Umstellung der Aktienart beschließen muss, ähneln sich dabei weitgehend. So geben die Unternehmen in der Regel an, die Umstellung vornehmen zu wollen, um näher an die Aktionäre zu rücken. Denn mit der Umstellung tragen die Depotbanken grundsätzlich alle Aktionäre zumindest mit Vor- und Nachname sowie Adresse in das bei Namensaktien vorgeschriebene Aktienregister ein. Bei Käufen bzw. Verkäufen werden die Daten über die Depotbanken aktualisiert. So lassen sich seitens der Emittenten Veränderungen in der Aktionärsstruktur nachvollziehen, ohne dass das Unternehmen auf die gesetzlich vorgeschriebenen, aber vom Unternehmen nicht eigenständig nachvollziehbaren Stimmrechtsmeldungen angewiesen ist.
Sicherlich gilt diese Transparenz nicht grenzenlos. Denn zum einen macht das Aktienregister meist an den Grenzen Deutschlands Halt und ausländische Aktionäre werden im Regelfall nur unter der Firma ihrer ausländischen Depotbank in das Register eingetragen, was eine detaillierte Analyse erschwert. Zum anderen ist es auch inländischen Aktionären möglich, ihre Depotbank anzuweisen, sie entweder unter der Firma der Depotbank oder aber gar nicht im Register einzutragen. Zwar bleibt den Emittenten der Hinweis, dass ohne Eintragung eine Hauptversammlungsteilnahme nicht möglich ist. Für den betroffenen Aktionär gibt es aber Mittel und Wege, eine solche doch zu erreichen – etwa, indem ihn die Depotbank für seinen Aktienbestand bevollmächtigt oder aber, indem er kurz vor dem Stichtag für die Hauptversammlungsteilnahme doch in das Register eingetragen wird.
Trotz dieser Vorbehalte spricht, gerade bei einem großen Streubesitz, vieles für ein Aktienregister. Die Praxis belegt, dass sich die überwiegende Zahl der Retail-Aktionäre in das Register eintragen lässt und damit dem Emittenten bekannt ist. Dies hilft dem Vorstand, auch abseits der Hauptversammlung ein klareres und zuverlässigeres Bild von „seinen“ Investoren sowie deren Zusammensetzung zu erhalten. Bei Inhaberaktien bleiben hierfür nur Aktionärsanalysen, die häufig recht kostspielig sind und im Wesentlichen auf professionellen Auswertungen öffentlich verfügbarer Daten beruhen. Sie sind damit – anders als das Aktienregister – immer nur eine Momentaufnahme, die den laufenden Handel in der Aktie nicht berücksichtigen, sodass sie sich für die Direktansprache der ermittelten Investorenbasis nicht eignen.
Eine Direktansprache ist deshalb nur durch Emittenten von Namensaktien möglich. Sie wird mit unterschiedlicher Intensität praktiziert. Während einige Unternehmen sich darauf beschränken, die Hauptversammlungseinladungen zu versenden, treten andere Gesellschaften mit ihren Aktionären regelmäßig in Kontakt, indem sie z.B. Aktionärsbriefe übermitteln. Schon der bloße Versand der Hauptversammlungsunterlagen durch die Emittenten ist vorteilhaft, weil auf diese Weise die Unternehmen bestimmen, was übersandt wird und die Übermittlung der Einladungen einheitlich stattfindet. Die Emittenten von Namensaktien müssen daher nicht damit leben, dass manche Depotbanken lediglich rudimentäre Informationen zur Hauptversammlung übermitteln. Stattdessen können sie sicherstellen, dass die komplette Einladung und ggf. auch besondere Anlagen den Weg zum Aktionär finden, und so möglicherweise auch ein Stück weit die Präsenz bei der Hauptversammlung mitbestimmen.
Dieser Weg der Direktansprache der Aktionäre kann natürlich weiter verfolgt werden bis hin zur virtuellen Hauptversammlung. So bietet etwa adidas seinen Aktionären neben der elektronischen Anmeldung zur Hauptversammlung auch die Möglichkeit, auf diesem Wege Stimmrechtsweisungen zu erteilen und diese auch noch während der laufenden Versammlung zu ändern. Ähnliches ist bei der Allianz möglich.
Unabhängig von diesen praktischen Möglichkeiten gibt es Situationen, in denen der „direkte Draht“ zu den Aktionären jenseits der Pflichtkommunikation über die Depotbanken äußerst sinnvoll ist: Immer dann, wenn sich das Unternehmen in Transformationsprozessen befindet oder die Hauptversammlung Entscheidungen jenseits der Pflichtbeschlüsse fassen soll, kann die direkte Kommunikation helfen, Hürden zu nehmen oder die Aktionäre überhaupt zu erreichen. So können Aktionärsinformationen verfasst und versandt werden, um die Aktionäre „abzuholen“, Ihnen die Maßnahmen zu erläutern und sie zur Teilnahme an relevanten Hauptversammlungen oder aber einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu ermuntern. Gleiches ist im Rahmen einer drohenden Übernahme vorstellbar.
Ist es nun sinnvoll für ein Unternehmen, den Aufwand der Umstellung der Aktienart zu betreiben? Sicher kommt es hier, wie immer im Leben, auf die Situation und die Ziele des Unternehmens an. Eine Umstellung auf Namensaktien ist kein Selbstzweck und Unternehmen, die über einen stabilen Geschäftsverlauf verfügen, auf absehbare Zeit keine Kapitalmaßnahmen oder kontroverse Hauptversammlungsbeschlüsse planen und deren Anteile in den Händen von auf ein langfristiges Investment angelegten Ankerinvestoren liegen, werden weniger Anlass zu einer Umstellung haben als Unternehmen, denen stürmische Zeiten bevorstehen. Trotzdem sollte die Wahl der Aktienart in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Aufgrund vergleichbarer Kosten und mit der Wahl der Namensaktie verbundener Vorteile erscheint die Namensaktie für Unternehmen, die einen Börsengang beabsichtigen, heute sicher trotz anfänglichen Zusatzaufwands das Mittel der Wahl.
Inländische Anleiheemittenten können die Vorteile des Namenspapiers bisher leider nicht nutzen. Denn das deutsche Schuldverschreibungsrecht ermöglicht zwar die Ausgabe von Namensschuldverschreibungen, es sieht – anders als ausländische Rechtsordnungen – aber keine freie Übertragbarkeit von Namensanleihen vor. Da deutsche Namensschuldverschreibungen deshalb nicht als Wertpapiere zählen, sind sie weder girosammelverwahr- noch börsenfähig und kommen allenfalls für den Erwerb durch bilanzierende Anleger, etwa Versicherungen oder sonstige institutionelle Anleger, in Betracht.
Dabei wären die Anleiheemittenten gut beraten, wenn sie Namensschuldverschreibungen, verbunden mit einem dem Aktienregister vergleichbaren System, nutzen und ihre Investoren direkt ansprechen könnten. Denn für die hohe Zahl an in die Krise geratenen Emittenten von Mittelstandsanleihen hielt und hält das Schuldverschreibungsgesetz hohe Hürden bereit: Beschlüsse der Gläubigerversammlung, mit denen etwa Stundungen, Verlängerungen der Laufzeit oder ein Debt-Equity-Swap vereinbart werden sollen, sind nur möglich, wenn in der Versammlung mindestens die Hälfte des Nennwerts der ausgegebenen Schuldverschreibungen vertreten ist. Und auch wenn diese Anforderung aus Gläubigerschutzgesichtspunkten sinnvoll ist, konnten ihr nur die wenigsten Versammlungen genügen – bei den beiden Solarworld-Anleihen etwa lag die Präsenz bei der ersten Gläubigerversammlung nur im einstelligen Prozentbereich. Daher musste im Regelfall eine zweite Versammlung mit identischer Tagesordnung einberufen werden, für die nur noch eine Mindestpräsenz von 25% der ausgegebenen Schuldverschreibungen vorgeschrieben ist. Selbst bei dieser niedrigen Hürde gelang es nicht allen Emittenten, die Mindestpräsenz herzustellen. So ging z.B. die Solen AG (ehemals Payom) im Sommer 2013 nach gescheiterter zweiter Gläubigerversammlung in die Insolvenz.
Woran aber liegen die geringen Präsenzen? Vom Desinteresse der Investoren ist nicht auszugehen. Schließlich sollen sie darüber entscheiden, ob eine Restrukturierung gewagt oder aber das Unternehmen, in das sie investiert haben, in die Insolvenz geschickt wird. Bedeutender ist die Tatsache, dass viele Retail-Investoren Inhaberpapiere erworben haben und den Emittenten nicht bekannt sind. Deshalb können sie, wie bei Inhaberaktien, nur über die Depotbanken angesprochen werden. Die Information über stattfindende Gläubigerversammlungen nach Schuldverschreibungsgesetz wird aber (anders als bei Gläubigerversammlungen in der Insolvenz) nicht von allen Banken als Pflichtinformation für die Depotkunden betrachtet und deshalb auch häufig nicht an die Kunden weitergeleitet. Zudem sind sich die Anleihegläubiger oft der Bedeutung ihrer Teilnahme an der Versammlung nicht bewusst. Sofern den Anleiheemittenten keine Großinvestoren bekannt sind, führt dies wiederum dazu, dass bei der Restrukturierung große Unsicherheiten bestehen, ob die für die Anpassung von Anleihebedingungen oder den Debt-Equity-Swap erforderlichen Präsenzen überhaupt hergestellt werden können.
Es spricht deshalb vieles dafür, den deutschen Anleiheemittenten die Emission von Namensschuldverschreibungen und über das damit verbundene Anleiheregister den direkten Kontakt zu ihren Gläubigern zu ermöglichen. Die hierfür erforderliche Änderung des Schuldverschreibungsrechts sollte dabei – den gesetzgeberischen Willen vorausgesetzt – kein wesentliches Hindernis sein. Gleiches gilt für die Etablierung eines neuen Verwahrsystems ähnlich dem, wie es mit CASCADE-RS für Namensaktien existiert und bei Clearstream Luxemburg oder Euroclear für ausländische Namensschuldverschreibungen genutzt wird.
Dr. Christel Turpeinen
Corporate Finance
September 2015
Kontakt
Dr. Roman Rocke
Leiter Corporate Finance
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