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Warum halten wir die bestehenden Möglichkeiten für die Aufnahme von Eigenkapital für Unternehmen nicht mehr für zeitgemäß?
FinTechs sprießen wie Pilze aus dem Boden. Neben der Optimierung von Anlageentscheidungen, Zahlungssystemen und Abwicklungsprozessen kommen immer mehr Plattformen für Eigenkapital-, Mezzanine- und Fremdkapitaltransaktionen auf den Markt. Warum entwickeln wir trotzdem eine neue Plattform für Emittenten und institutionelle Investoren? Diese Frage wollen wir in unserem ersten Teil des mehrteiligen „offen gesprochen“-Artikels umfassend beantworten. In diesem ersten Teil legen wir dar, warum der Kapitalmarkt und Private Equity (PE) für viele Eigenkapitalplatzierungen nicht geeignet sind und daher durch unsere neue Plattform ergänzt werden sollten.
Vier IPOs in Deutschland im Jahr 2019, mit einem Gesamtemissionsvolumen von EUR 3,6 Mrd. haben wieder deutlich bewiesen, dass der Kapitalmarkt auf der Aktienseite in Deutschland keine hohe Akzeptanz findet. Dieses zeigt sich auch an der hohen Anzahl von Delistings. Insgesamt hat sich die Anzahl der börsennotierten Unternehmen in Deutschland in den letzten zehn Jahren um etwa 30% reduziert. Neben der grundsätzlichen Skepsis gegenüber dem Kapitalmarkt sind die zunehmenden Belastungen durch die überbordende Regulatorik, hohe Kosten für notwendige Organisationsanpassungen, die IFRS-Bilanzierungen und die Haftungsrisiken wesentliche Begründungen für diesen Trend. Auch ist die erforderliche Kapitalmarkttransparenz, bei der detaillierte Finanzinformationen im Internet für jeden zugänglich gemacht werden müssen, regelmäßig nicht im Interesse der Unternehmen und / oder der Eigentümerfamilien. Gleichzeitig sind zumindest für Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von unter EUR 300 Mio. die Vorteile des Kapitalmarktes, Eigenkapital schnell und sicher aufzunehmen, nur bedingt und periodisch nutzbar.
Diesem geringen Interesse am Kapitalmarkt steht spätestens nach den Belastungen durch Covid-19 ein hoher Bedarf an neuem Eigenkapital im Mittelstand gegenüber. Bedient werden könnte dieser durch Private Equity, welches für Minderheitsbeteiligungen aber auch nur begrenzt zur Verfügung steht und immer schwierige Diskussionen in Bezug auf den späteren Exit des PE-Investors mit sich zieht. Regelmäßig kollidiert die Kultur des langfristig orientierten Familienunternehmens mit der Zielsetzung, der PE-Investoren kurzfristig Handelserträge aus Kauf und Verkauf der eigenen Beteiligung zu generieren.
Als weitere Alternative wird die Beteiligung eines Family Offices zur Stärkung des Eigenkapitals gesucht. Aber auch diese Lösung ist häufig nicht erfolgsversprechend, weil entweder das Family Office doch wie ein PE-Investor aufgestellt ist, oder aber mittelfristige Konflikte zwischen den unterschiedlichen Familienstämmen fast schon die Regel darstellen.
Die alternative Suche nach mehreren Eigenkapitalinvestoren im Rahmen einer Privatplatzierung ist auf der Basis der derzeitigen klassischen M&A-Prozesse extrem komplex und regelmäßig auch nicht erfolgsversprechend. Im Bereich des Eigenkapitals möchten Investoren auf die Gestaltung der Vertragsbeziehungen einwirken und sich keiner Standarddokumentation unterwerfen. Dieses bedeutet, dass viele Verhandlungen und Due Diligence-Prüfungen parallel geführt und anschließend zu einem einheitlichen Vertragswerk zusammengeführt werden müssen. Ohne eine technische Unterstützung ist dieses kaum umzusetzen.
Für den Emittenten besteht ein hohes Risiko, wenn er sich bei Auftragsvergabe an einen M&A-Berater darauf verlassen muss, dass der Berater über ausreichend persönliche Kontakte und ein umfassendes Verhandlungsgeschick verfügt, um eine solche Privatplatzierung ohne Schaden für die Gesellschaft erfolgreich abzuschließen. Soweit er von Anfang an mit einem Konsortium von Investoren verhandelt simplifiziert sich zwar der Abstimmungsprozess, gleichzeitig wird aber auch die Wettbewerbssituation zwischen den Investoren aufgehoben. Auch dieses ist nicht im Interesse des Familienunternehmens. Es verbleibt damit eine hohe Anzahl an Eigenkapital-Nachfragen, welche durch die bestehenden Handlungsalternativen nicht ausreichend bedient werden können.
Eine besondere Situation, in der die Privatplatzierung von Eigenkapital funktionieren kann, besteht im Venture Capital (VC). Der Vorteil bei diesem Prozess ist, dass anders als in klassischen M&A-Prozessen die Bewertung des Unternehmens nicht analytisch abgeleitet werden muss, sondern sich aus vergangenen Finanzierungsrunden und einfachen Ertragsannahmen ableitet. Der Emittent gibt die Bewertung entsprechend regelmäßig vor. Zum Schutz der Investoren werden die Verhandlungen dann über Exit-Präferenzen und spezielle Investorenrechte geführt. Da sich hier schon weitgehende Standardlösungen entwickelt haben, besteht weniger die Herausforderung, sehr unterschiedliche Investorenanforderungen unter einen Hut bekommen zu müssen. Aber auch Venture Capital-Platzierungen stoßen mit den klassischen Prozessen an ihre Grenzen. Grund dafür ist die in den letzten Jahren erheblich angestiegene Anzahl möglicher Venture-Investoren. Neben Privatpersonen und Venture-Fonds treten zunehmend Corporate Venture-Einheiten und klassische Corporate-Investoren. Die Prozesse zur Platzierung des Venture Capital werden entsprechend komplex und erfordern eine digitale Unterstützung für eine effiziente Abwicklung.
Eine weitere Sondersituation des M&A ist die Restrukturierung. Sowohl Gesellschaften in der Krise als auch in der Insolvenz erfordern besondere Vorgehensweisen bei M&A-Prozessen. Das entscheidende Stichwort hier ist Geschwindigkeit. Investoren müssen regelmäßig sehr viel schneller gefunden werden als im klassischen M&A-Prozess. Dennoch finden wir immer wieder Restrukturierungstransaktionen, bei denen viel Zeit in die Erstellung eines Memorandums, die Festlegung einer Long- / Shortlist oder auch in die langsame Investorenansprache gesteckt wird. Eine digitale Unterstützung des Transaktionsprozesses in der Restrukturierung kann die Prozessgeschwindigkeit deutlich erhöhen und damit die Sanierungsfähigkeit eines Unternehmens maßgeblich verbessern.
Die Erkenntnis, Eigenkapitalplatzierungen stärker digital zu unterstützen, ist natürlich nicht neu. Es gibt bspw. verschiedene M&A-Transaktionsdatenbanken, auf denen Nachfragen für Unternehmernachfolgen oder Wachstumskapital gesammelt werden und einer möglichst hohen Anzahl von Investoren gegenüber gestellt werden. Über die Plattformen soll dann ein „Matching“ von Angebot und Nachfrage erfolgen.
Dieser Ansatz ist für kleinere Transaktionen mit Kaufpreisen unter EUR 5 Mio. sicherlich erfolgsversprechend, nicht aber bei größeren und ganz sicher auch nicht für Privatplatzierungen an mehrere Investoren. Bei größeren Transaktionen ist das „Matching“ von Verkäufern und Investoren in aller Regel nicht die zentrale Herausforderung, sondern das Management des Veräußerungsprozesses. Dabei müssen auch die regelmäßig sehr hohen Anforderungen an die Vertraulichkeit sichergestellt werden. Eine geeignete IT-Plattform für Eigenkapitaltransaktionen muss nicht nur potentielle Veräußerer und Käufer zusammenbringen, sondern den gesamten M&A-Prozess bis zum Closing vollständig unterstützen - nicht nur für Buyouts, sondern auch für Mehrheits- und Minderheitsbeteiligungen aller Gesellschaftsformen.
Fazit
Die Möglichkeiten des Kapitalmarktes und des Private Equity können viele Eigenkapitalanforderungen von Unternehmen nicht abdecken. Dieses motiviert uns, unsere neue IT-Plattform für alternative Finanzprodukte, die u.a. Eigenkapital im Wege des M&A-Prozesses als auch über Privatplatzierungen platziert, in den nächsten Monaten auf den Markt zu bringen.
Im 2. Teil lesen Sie, warum und wie wir unsere Plattform für die Platzierung aller Eigenkapital, Mezzanine- und Fremdkapitalprodukte ausgelegt haben.
Dr. Jens Kruse
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Dr. Roman Rocke
Leiter Corporate Finance
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Tel. +49 40 3282-2155