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DownloadSeit mehr als einer Generation wird ein Unternehmen sehr erfolgreich von der Familie geführt. Zwischenzeitlich hat man einen hohen zweistelligen oder dreistelligen Millionenumsatz erreicht. Die letzte Krise aus dem Jahr 2008 ist längst vergessen und die Ausschüttungen der letzten Jahre haben zu einem erheblichen Vermögen der Gesellschafter geführt. Die Führung des Familienunternehmens wurde vor wenigen Jahren auf die nächste Generation oder ein externes Management übertragen. Das Unternehmen hat sich seitdem zwar nicht mehr so positiv weiterentwickelt wie in früheren Jahren, aber es gab keinen Grund zur Sorge. Und jetzt kommt Covid-19! Landesbürgschaften und KfW-Mittel werden benötigt. Die bilateralen Kredite müssen durch einen Konsortialvertrag ersetzt werden und die Banken erwarten eine Stärkung des Eigenkapitals durch die Gesellschafter. Was ist zu tun?
Durch die Folgen der Covid-19-Krise sind viele Unternehmen in einen Liquiditätsengpass geraten, der durch KFW-Kredite und Landesbürgschaften überbrückt werden muss. Verbunden mit diesem zusätzlichen Fremdkapital sehen die finanzierenden Banken regelmäßig auch eine Stärkung des Eigenkapitals als notwendig an. Grundsätzlich sind Familiengesellschafter bereit, dieser Forderung nachzukommen. Immerhin leben die Familien schon seit Jahrzehnten vom Unternehmen und man fühlt sich gegenüber dem Unternehmen und dessen Mitarbeitern zur Hilfe verpflichtet. Anderseits wurden Vermögenswerte in den letzten Jahren bewusst aus der Gesellschaft ausgeschüttet, um eine Sicherheit der Gesellschafter für mögliche Krisen der Gesellschaft zu haben.
Eine Kapitalerhöhung durch Sach- oder Bareinlage ist insofern auch immer ein Schritt zurück. Dieses gilt insbesondere, wenn sich die Gesellschafter bewusst aus dem aktiven Management der Gesellschaft zurückgezogen haben und sie die strategischen Herausforderungen der Gesellschaft nicht mehr vollständig überblicken können und wollen. Diese Herausforderungen gehen häufig weit über das Thema Covid-19 hinaus.
Schon vor Covid-19 mussten sich die Automobilindustrie und ihre Zulieferer fragen, ob der Trend zu E-Mobilität und Wasserstoff die eigene Marktposition nicht nachhaltig gefährdet, mussten sich Einzelhändler fragen, ob der Trend zum E-Commerce das stationäre Geschäft überlebensunfähig werden lässt, mussten sich Logistiker fragen, ob sie für die Veränderung der Logistikketten noch immer gut aufgestellt sind, mussten sich Energieunternehmen fragen, ob sie den Trend zu alternativen Energien richtig eingeschätzt haben. Insbesondere die Digitalisierung hat die Erfolgsfaktoren einer hohen Anzahl von Unternehmen in den verschiedensten Branchen in einer unglaublichen Geschwindigkeit verändert. Covid-19 wirkt hierauf noch einmal als Katalysator.
In dieser Situation ist kaum ein Gesellschafter, der nicht (mehr) in dem Unternehmen operativ tätig ist, in der Lage die tatsächlichen Zukunftsaussichten des eigenen Unternehmens „nach Covid-19“ professionell einzuschätzen. Bevor er aber jetzt weitere materielle Vermögenswerte in die Gesellschaft einbringt, sollte er sich über die Aussichten Transparenz verschaffen. Wie kann das geschehen, ohne unweigerlich Streitigkeiten innerhalb der Familiengesellschafter auszulösen?
Die richtige Vorgehensweise ist natürlich wesentlich von der spezifischen Situation des Unternehmens, den Persönlichkeiten der Gesellschafter und deren Verhältnis untereinander abhängig. Dennoch möchten wir im folgenden sieben Empfehlungen geben, die wir als Grundlage jeder Gesellschafterdiskussion sehen:
1. Klare und offene Kommunikation
2. Festlegung und Vereinbarung von gemeinsamen Vorgehensweisen
3. Objektive Analyse der Unternehmenssituation
4. Keine Anforderungen an die Gesellschaft zur Unzeit
5. Realistische Einschätzung von Handlungsalternativen
6. Gute Vorbereitung jeder Maßnahme
7. Absicherung des Unternehmens in den Veräußerungsprozessen
Was steht hinter diesen Empfehlungen:
1. Klare und offene Kommunikation
Das Gefühl, als Gesellschafter nicht mehr vollumfänglich und bedingungslos für das Familienunternehmen einstehen zu wollen, sollte weder ignoriert noch ohne klare Strategie an die Mitgesellschafter kommuniziert werden. Dabei kann die Kommunikationsstrategie darin bestehen, dass man die Einbringung weiterer Vermögenswerte in die Gesellschaft grundsätzlich ablehnt, diese limitiert und/oder von Bedingungen abhängig macht. Diese Entscheidung sollte natürlich möglichst frühzeitig nach einer Anfrage zur Eigenkapitalstärkung gegenüber den Mitgesellschaftern und der Gesellschaft kommuniziert werden.
Eine solche Empfehlung kann als banal angesehen werden. In der Praxis sehen wir aber immer wieder, dass Gesellschafter eine klare Positionierung vermeiden, um potentiellen Streitigkeiten mit Familienmitgliedern zu entgehen. Im Ergebnis führt eine fehlende klare Positionierung aber dazu, dass der Streit zu einem späteren Zeitpunkt unvermeidlich wird.
2. Festlegung und Vereinbarung von gemeinsamen Vorgehensweisen
Um Konflikte innerhalb des Gesellschafterkreises zu vermeiden, müssen neben der klaren Positionierung auch mögliche Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Zu diesen gehören die Bereitschaft zur Verwässerung der eigenen Beteiligung durch die Aufnahme neuer Gesellschafter, die Bereitschaft zum Verkauf der eigenen Anteile an Mitgesellschafter oder Dritte sowie die Unterstützung eines Gesamtverkaufes.
Wichtig ist, dass all diese Maßnahmen als konstruktive Lösungsangebote und nicht als fehlende Loyalität gegenüber Unternehmen und der Familie vermittelt werden. Es muss unbedingt erreicht werden, dass die unterschiedlichen Positionen der Gesellschafter untereinander akzeptiert werden. Allen Gesellschaftern muss bewusst werden, dass man eine gemeinsame Handlungsstrategie im Gesellschafterkreis finden muss, welche die unterschiedlichen Ziele der Gesellschafter berücksichtigt. Vermieden werden muss, dass einzelne Gesellschafter eine eigene Strategie für sich entwickeln, von der sie dann die anderen Gesellschafter überzeugen möchten. Die Risiken solcher unabgestimmten Vorgehensweisen für das Unternehmen und die Familie sind erheblich, die Erfolgsaussichten gering. Es wird kaum einem Gesellschafter gelingen, seine (Minderheits-)Anteile ohne Unterstützung der Mitgesellschafter zu einem angemessenen Preis zu veräußern oder die Anteile seiner Mitgesellschafter erfolgreich zum Kauf anzubieten.
Die abgestimmte Vorgehensweise sollte in einer schriftlichen Vereinbarung dokumentiert werden. Nur so ist sichergestellt, dass alle Beteiligten in dieser für die Gesellschafter und Gesellschaft neuen Situation auch wirklich ein einheitliches Verständnis über den angestrebten Prozess und dem damit verbundenen Verhaltenskodex jedes einzelnen Gesellschafters bekommen.
3. Objektive Analyse der Unternehmenssituation
In Zeiten von Covid-19 sind alle negativen Unternehmensentwicklungen durch die Pandemie legitimiert. Niemand konnte voraussehen, dass es zu derartig umfassenden Schutzmaßnahmen und damit einhergehend massiven Einbrüchen der Weltwirtschaft kommen würde. Materielle Umsatzrückgänge waren somit teils unvermeidlich. Erkennen kann man diese Sichtweise z.B. an der stark rückläufigen Entwicklung von Insolvenzanträgen in den letzten Monaten. Offensichtlich gibt es kaum noch einen Insolvenzgrund, der nicht durch die Covid-19-bedingte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht abgedeckt ist.
Doch wie schon einführend dargelegt, bestehen viele negative Markttrends schon länger. Der Kampf der Automobilindustrie mit einem veränderten Kaufverhalten der Kunden und die Belastungen des Einzelhandels durch die Digitalisierung hätten auch ohne Covid-19 zu schmerzhaften Anpassungsprozessen geführt. Nun ist davon auszugehen, dass diese Marktveränderungen durch die Coronavirus-Pandemie weiter verstärkt werden. Viele Unternehmen werden sich trotz Geldschwemme der EZB und der nationalen Regierungen strategisch anpassen müssen.
Den klaren Blick zwischen kurzfristigen konjunkturellen Einflüssen und langfristigen strukturellen Marktveränderungen zu gewinnen, ist natürlich ausgesprochen schwierig. Das aktuelle Bild am Kapitalmarkt, welches durch die hohen Bewertungen der Aktien dokumentiert, dass man alle negativen Entwicklungen nur als kurzfristig betrachtet, sollte der Familiengesellschafter sicherlich nicht unreflektiert übernehmen. Die Argumentation von Analysten, dass die Unternehmensprognosen so desaströs schlecht sind, dass die Wahrheit nur besser werden kann, und damit die Aktienkurse noch weiter steigen werden, mag für einen Chart-Analysten logisch sein, für einen Unternehmer sollte sie das aber nicht.
4. Keine Anforderungen an die Gesellschaft zur Unzeit
Neben der schwierigen Prognose der weiteren Unternehmensentwicklung ist derzeitig auch die hohe operative Belastung des Managements bei der Krisenbewältigung ein limitierender Faktor für die Analyse der Unternehmenssituation. Hier muss der Gesellschafter aufpassen, dass er nicht zur Unzeit zusätzliche Anforderungen an das Management zur Entwicklung einer fundierten Strategie oder der Vorbereitung von M&A-Prozessen stellt.
Die Entwicklung einer neuen oder Anpassung der bestehenden Strategie ist für mittelständische Unternehmen mit einer erheblichen Belastung des gesamten Managements verbunden. Ohne Business-Development-Abteilungen, die sich auf einen solchen Prozess vollumfänglich konzentrieren können, muss eine solche Entwicklung im Rahmen der geübten Unternehmensplanung erfolgen.
Für die meisten Unternehmen bedeutet dieses, dass der im September oder Oktober beginnende Planungsprozess für das nächste Jahr entsprechend erweitert werden muss. Um diese Erweiterung zu initiieren, sollten die Gesellschafter bereits in den Sommermonaten die Vereinbarung über das weitere Vorgehen unterzeichnet haben.
Soweit mit den Handlungsüberlegungen auch die Durchführung von M&A-Prozessen verbunden ist, erscheint der Start dieser Prozesse im Frühjahr des nächsten Jahres grundsätzlich gut terminiert zu sein.
5. Realistische Einschätzung von Handlungsalternativen
Sowohl die Suche nach Minderheitsgesellschaftern über eine Kapitalerhöhung als auch die Finanzierung des Kaufpreises für die Ablösung von Mitgesellschaftern sind keine „Selbstgänger“. Auch wenn sich zur Zeit wieder mehrere Private–Equity-Gesellschaften um Minderheitsbeteiligungen bewerben, so sind deren Renditeerwartungen und Exit-Rechte den meisten Familiengesellschaften weiterhin nur schwer zu vermitteln. Auch Family-Offices stehen für Minderheitsbeteiligungen zur Verfügung, aber auch sie haben regelmäßig Vorstellungen über ihre Gesellschafterrechte, die über die Rechte des klassischen Familiengesellschafters klar hinausgehen.
Für die Familiengesellschafter ist es wichtig hier von vornherein eine realistische Einschätzung über Kaufpreise und Kaufbedingungen zu gewinnen. Dabei sind M&A-Berater nur bedingt die richtigen Ratgeber, da diese natürlich an einem Mandat interessiert sind und die Erfolgsaussichten für die Durchsetzung von hohen Finanzierungen auf Gesellschafterebene oder von attraktiven Unternehmensbewertungen von Investoren bei akzeptablen Minderheitsrechten tendenziell zu positiv darstellen.
Es kann aber davon ausgegangen werden, dass Unternehmen, die vor Covid-19 interessant für Investoren waren, dieses auch heute noch sind. Allerdings in der Regel nicht mehr zu den Unternehmensbewertungen, die noch in 2019 bezahlt worden wären.
6. Gute Vorbereitung jeder Maßnahme
Jede Maßnahme, die sich aus den vereinbarten Vorgehensweisen ergibt, muss intensiv vorbereitet werden. Hierzu gehört die Festlegung eines konkreten Zeitplans, die Erarbeitung eines internen und externen Kommunikationskonzeptes und die kontrollierte Einbeziehung der Personen, die für die Durchführung der Maßnahme erforderlich sind.
Jeder Investor, der in das Eigenkapital des Unternehmens oder ein nachrangiges Fremdkapital investiert, wird eine Due Diligence durchführen wollen. Hierfür muss eine fundierte Unternehmensplanung erstellt und ein Datenraum eingerichtet werden.
Die reine testweise Marktsondierung sollte auf jeden Fall vermieden werden. Die Risiken, die sich aus einem solchen Markttest ergeben, sind für Familienunternehmen regelmäßig zu groß. Alleine das Gerücht, dass sich im Gesellschafterkreis der Familie etwas ändern könnte, kann zu negativen Auswirkungen bei Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden führen. Vertraulichkeit ist für Familiengesellschaften besonders wichtig.
7. Absicherung des Unternehmens in den Prozessen
Wenn dann ein Finanzierungs- oder Verkaufsprozess angestoßen worden ist, so ist auch innerhalb dieses Projektes die Vertraulichkeit als wichtiges Kriterium zu berücksichtigen. Dieses spricht grundsätzlich gegen den in M&A-Transaktionen häufig genutzten Auktionsprozess. Dieser sollte in fast jedem Fall durch eine gezielte Ansprache weniger ausgesuchter Finanzierer oder Investoren ersetzt werden.
Es ist insbesondere in den unsicheren Zeiten seit dem Covid-19-Ausbruch besonders wichtig, die Prozesse so zu gestalten, dass sie notfalls noch möglichst lange abgebrochen werden können, ohne dem Unternehmen zu schaden.
Fazit
Soweit diese Empfehlungen eingehalten werden, wird es möglich sein, unterschiedliche Zukunftspläne von Gesellschaftern in Bezug auf das Familienunternehmen ohne Streit in der Familie oder Belastungen der Gesellschaft zufriedenstellend umzusetzen.
Dr. Jens Kruse
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Dr. Roman Rocke
Leiter Corporate Finance
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