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Corporate FinanceOffen gesprochen
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DownloadBloßer Mitläufer sei er nicht, darauf legte Munich Re-Chef Nikolaus von Bomhard während der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens im März 2016 Wert. Sicherlich, so sagte er, seien Aktienrückkäufe derzeit en vogue, aber sein Unternehmen mache dies schließlich schon seit 2006. Bereits EUR 8,9 Mrd. hat der Rückversicherer bisher für Käufe eigener Anteile ausgegeben, eine weitere Milliarde soll bis 2017 hinzukommen. Dass sich von Bomhard tatsächlich gegen den Vorwurf wehren muss, einfach mit dem Strom zu schwimmen, kommt nicht von ungefähr: Viele große deutsche Unternehmen wie beispielsweise Siemens, Linde, Hochtief und Osram haben bereits in den ersten Monaten dieses Jahres eigene Aktien aktiv zurückgekauft ‑ genauso wie kleinere wie zum Beispiel Berentzen und die ad pepper group. Weil es offenbar tatsächlich einen Trend zum Aktienrückkauf in Deutschland gibt, stellt sich die Frage, ob Rückkäufe in der derzeitigen Kapitalmarktsituation generell eine finanziell lohnende Kapitalmaßnahme sind.
Die aktuelle Niedrigzinsphase erscheint wie geschaffen für Rückkaufmaßnahmen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die über einen großen Bestand an Cash verfügen. Denn die niedrigen Zinsen sorgen dafür, dass es sich für Firmen immer weniger lohnt, ihre vorhandenen Geldbestände auf Konten zu parken. Stattdessen suchen sie nach alternativen Investmentmöglichkeiten auf dem Markt. Die Folge ist, dass immer mehr Liquidität im Markt vorhanden ist und die Preise für externe Wachstumsprojekte immer teurer und damit unattraktiver werden. Für viele Unternehmen bietet sich deshalb als Alternative die Möglichkeit, in eigene Aktien zu investieren. Dies gilt umso mehr als in Niedrigzinsphasen die Preisentwicklung von Aktien tendenziell stetig nach oben zeigt. Wenn die Aktiengesellschaft nach dem Rückkauf die Aktien im eigenen Bestand hält und nicht einzieht, kann sie deshalb ihre eigenen Papiere nach einer gewissen Haltedauer unter bestimmten Voraussetzungen sogar gewinnbringend wieder veräußern.
Schrankenlos zum eigenen Wohl einkaufen dürfen die Vorstände einer Aktiengesellschaft aber nicht. Zu beachten ist grundsätzlich die gesetzliche Regelung, wonach erst die Hauptversammlung einen Beschluss fassen muss, mit dem sie den Vorstand zum Rückkauf von Aktien ermächtigt. Diese Ermächtigung muss zeitlich beschränkt sein und kann maximal für einen Zeitraum von fünf Jahren erteilt werden. Aus Gründen der Praktikabilität verfügen die meisten Unternehmen über solch eine Vorrats-Ermächtigung. Damit kann der Vorstand dann je nach Situation schnell entscheiden, ob Aktien zurückgekauft werden sollen.
Das Gesetz sieht für Rückkaufmaßnahmen zudem auch eine mengenmäßige Beschränkung vor. Denn die Hauptversammlung kann den Vorstand immer nur ermächtigen, bis zu maximal 10% des Grundkapitals der Gesellschaft zurückzukaufen. Rechtlich umstritten ist dabei, ob sich diese 10% auf das Grundkapital zum Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses oder zum Zeitpunkt des Aktienrückkaufs beziehen – eine anscheinend akademische Frage, die aber große praktische Relevanz haben kann. Denn finanziell kann ein Aktienrückkauf basierend auf einer größeren Grundkapitalziffer einen starken Einfluss haben. In der Praxis lassen sich denn auch sowohl Ermächtigungen beobachten, die sich am Grundkapital zum Hauptversammlungszeitpunkt orientieren, als auch Ermächtigungen, die sich auf die Höhe des Grundkapitals zum Zeitpunkt des Aktienrückkaufs beziehen.
Häufig wird ein Rückerwerb eigener Aktien auch als Handlungsoption des Vorstandes in Übernahmesituationen gesehen. Denn mit dieser Kapitalmaßnahme lässt sich der Streubesitz reduzieren, womit es einem externen „feindlichen“ Investor zumindest erschwert wird, eine Übernahme tatsächlich durchzuführen. Gleichwohl lässt sich aufgrund der mengenmäßigen Beschränkung des Aktienrückkaufes eine feindliche Übernahme nicht vollständig verhindern.
Viel wichtiger ist für die Unternehmen und den Vorstand meist auch die Reaktion des Kapitalmarktes und der eigenen Aktionäre. Denn diese nehmen in aller Regel die Ankündigung eines Aktienrückkaufes sehr positiv auf. Für Deutschland konnte sich empirisch belegen lassen, dass der kurzfristige außergewöhnliche Kursanstieg bei ca. 5% liegt. Dieser Effekt hängt zum einen damit zusammen, dass ein Unternehmen mit der Rückkaufsabsicht implizit signalisiert, die eigenen Aktien für unterbewertet zu halten. Wenn schon der eigene Vorstand als Informationsinsider, so häufig die Interpretation der Kapitalmarktakteure, eigene Aktien für das Unternehmen kauft und für ein lohnendes Investment hält, kann die Zukunft des Unternehmens ja nur positiv sein.
Ein weiterer Grund für den Kursanstieg liegt darin, dass die Aktie rein rechnerisch mehr wert ist. Denn durch den Rückkauf sinkt die Anzahl ausstehender Aktien, die wichtige Investorenkennzahl des KGV (Kurs-Gewinn-Verhältnis) steigt damit. Der höhere Wert spiegelt sich auch in der Dividende wider: Ein Aktionär kann pro Aktie mit einer höheren Dividende rechnen, da sich die Ausschüttung auf weniger Anteile verteilt. Für ein Unternehmen bietet das den Vorteil, an die einzelnen Aktionäre jeweils eine höhere Dividende auszahlen zu können, ohne dass der Gesamtbetrag für Dividendenausschüttungen erhöht oder eine Sonderdividende gezahlt werden muss. Diese Art der Ausschüttung ist zudem für den Vorstand relativ komfortabel und leicht durchzuführen. Denn anders als bei einer Sonderdividende ist eben kein gesonderter Hauptversammlungsbeschluss notwendig, sondern der Vorstand kann von der meist bestehenden Rückkaufsermächtigung Gebrauch machen.
Von einigen Seiten werden Aktienrückkäufe aber auch kritisch beäugt. Schon vor mehr als 80 Jahren, während der Weltwirtschaftskrise 1931, waren zwischenzeitlich Aktienrückkäufe in Deutschland wegen Missbräuchen verboten worden. Die Möglichkeiten für Missbräuche liegen eben darin, dass Manager versucht sind, mit den beobachtbaren kurzfristigen positiven Effekten den Aktienkurs ihres Unternehmens künstlich in die Höhe zu treiben. Ein Anstieg des Aktienkurses als positiver Gradmesser ist für das Management dann ein schnelles und einfaches Mittel, sich selbst als erfolgreich darzustellen, ohne dass dies tatsächlich der Fall sein muss.
Die Kritik gegenüber angeblich künstlicher Aktienkurspflege wird in den vergangenen Jahren immer wieder insbesondere in den USA laut. Dort sind Aktienrückkaufprogramme an der Tagesordnung und nehmen Dimensionen an, die weit über das Ausmaß der Programme hierzulande hinausgehen. Im vergangenen Jahr haben die S&P-500-Unternehmen insgesamt USD 600 Mrd. für Rückkäufe verwendet, allein Exxon gab seit 2010 rund USD 50 Mrd. für Aktienrückkäufe aus. Diese Kapitalmaßnahmen werden zuweilen auch werbewirksam inszeniert. So kündigte Alphabet, die neue Google-Holding, im Herbst 2015 an, eigene Aktien im Wert von exakt USD 5,09901951359 Mrd. zurückkaufen zu wollen. Diese Zahl war offensichtlich dem besonderen Humor der Google-Informatiker geschuldet. Denn 5,09901951359 ist die Quadratwurzel aus 26 und das Alphabet besteht aus 26 Buchstaben. Jedenfalls hatte die ungewöhnliche Werbemaßnahme Erfolg: Der Aktienkurs des Konzerns stieg kurze Zeit später um zeitweise mehr als 11% auf Rekordhöhen.
In Zeiten niedriger Fremdkapitalzinsen trägt noch ein weiterer Faktor dazu bei, dass Unternehmen sich für Aktienrückkäufe entscheiden. Wenn Fremdkapital günstiger ist als die erwartete Rendite auf die eigenen Aktien, kann ein Rückkauf auf Pump ein lohnendes Investment sein. Problematisch wird es nur dann, wenn ein kurzfristiger Kursanstieg und eine Ausschüttung an die Aktionäre damit erkauft werden, dass spätere Investments ausbleiben müssen. Da die Verschuldung zurückgeführt werden muss und liquide Mittel in den Aktien gebunden sind, könnte es später schwierig sein, dringend benötigte Barmittel für anstehende Investments zur Verfügung zu stellen.
Nachdem der Vorstand all die Vor- und Nachteile abgewogen und entschieden hat, ob ein Aktienrückkauf durchgeführt werden soll, muss er im zweiten Schritt abwägen, wie er diese Kapitalmaßnahme durchführen will. Die beiden marktgängigsten Methoden sind zum einen der angekündigte Erwerb über die Börse und auf der anderen Seite der Rückerwerb im Rahmen eines öffentlichen Rückkaufangebotes. Bei einem Erwerb über die Börse kündigt der Vorstand per Ad-Hoc-Meldung an, dass Rückerwerbe beabsichtigt sind, und führt diese dann über die Börse zum aktuellen Aktienkurs durch. Problematisch ist dabei, dass das Unternehmen durch die Ankündigung den eigenen Aktienkurs verteuern kann und damit zum Preistreiber für seine eigenen Rückkäufe wird. Zum anderen kann der Zukauf über die Börse insbesondere bei relativ illiquiden Märkten unter Umständen extrem lange dauern oder nicht in der beabsichtigten Höhe realisierbar sein.
Der häufig gewählte alternative Weg ist die Durchführung eines öffentlichen Rückkaufsangebotes, bei dem insbesondere der Preis, die Dauer des Angebotes und die Anzahl der zu erwerbenden Aktien bekannt gegeben werden. Um den Erfolg der Maßnahme sicherzustellen, gewähren Unternehmen meist einen Preisaufschlag zusätzlich zum Börsenkurs. Dieses öffentliche Verfahren eignet sich insbesondere für Fälle größerer Rückkaufmengen, wenn der Markt für die Aktie wenig liquide ist oder Spekulationsdruck gegen das Unternehmen über die Börse zu befürchten ist. Grundsätzlich zu beachten ist zudem bei der Durchführung eines Aktienrückkaufes, dass durch die Reduzierung des Streubesitzes die Liquidität der Aktie abnimmt. Da eine hohe Liquidität ein Kriterium für die Zugehörigkeit in einen Aktienindex darstellt, kann so unter Umständen das Ausscheiden aus einem Index drohen.
Da nicht nur die Entscheidung über die Durchführung selbst, sondern auch die Art der Durchführung je nach Situation des Unternehmens besondere Effekte haben kann, verbietet sich eine schablonenhafte Empfehlung, ob sich ein Aktienrückkauf für ein Unternehmen finanziell lohnt. Firmen sollten in jedem Fall ihre momentane Situation genau analysieren und abwägen, ob ein Aktienrückkauf sinnvoll sein kann. Denn als bloßer Mitläufer einem Modetrend hinterherzulaufen, ist letztlich nicht nur relativ langweilig, sondern kann Unternehmen unter Umständen finanziell sogar schaden.
Mareeke Buttjer, Corporate Finance
April 2016
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