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DownloadHeutzutage wird in so gut wie jedem M&A-Prozess der Enterprise Value auf schuldenfreier Basis oder auf Neudeutsch „cash and debt free“ abgefragt bzw. geboten. Ein Großteil der Gespräche und Verhandlungen dreht sich um eben diesen Wert. In einem indikativen oder auch verbindlichen Angebot wird zunächst nach dieser einen Zahl gesucht, bevor die Details gelesen werden. Selbstverständlich spielen Diskussionen um Bewertungsansätze und marktübliche Multiplikatoren eine wichtige Rolle im M&A-Prozess, um den Enterprise Value als wesentlichen Angebotsbestandteil zu verhandeln. Selten lassen sich aber Käufer und Verkäufer in die jeweiligen Bewertungsmodelle schauen, um eine vollständige Transparenz über die Bewertungsmethodik zu schaffen. In manchen Fällen hat deshalb die Verhandlung des Enterprise Values einen gewissen „Ebay-Charakter“ und beruht nicht selten schwerpunktmäßig auf der jeweiligen Verhandlungsposition bzw. der Konkurrenzsituation im Transaktionsprozess. Zwei auf den ersten Blick gleiche Angebote können zu signifikant abweichenden Ergebnissen führen, wenn es zu der Überleitung auf den Equity Value kommt. Im Folgenden soll die Frage erörtert werden: Wie komme ich eigentlich vom Enterprise Value zum Equity Value, also zum eigentlichen Kaufpreis?
Die Unternehmensbewertung erfolgt auf schuldenfreier Basis über den Enterprise Value. Nach Abzug der Nettoverschuldung (oder Addition der Nettoliquidität) erhält man den Equity Value, der an den Veräußerer (ggf. abzüglich Einbehalten) als Kaufpreis ausgezahlt wird. In der Theorie folgt die Definition der Nettoverschuldung („Net Debt“) einem recht einfachen Rezept. Man nehme die zinstragenden Verbindlichkeiten wie Bankschulden, Anleihen oder Pensionsrückstellungen und ziehe die liquiden Mittel, kurzfristige Finanzanlagen oder auch nicht betriebsnotwendige Vermögenswerte ab:
zinstragende Verbindlichkeiten
+ Verbindlichkeiten mit Schuldcharakter
+ Bilanzexterne Finanzierungen
./. Liquide Mittel
./. Nicht betriebsnotwendige Assets
________________________________
= Nettoverschuldung / Nettoliquidität
Während am Kapitalmarkt die Nettoverschuldung scheinbar einfach aus der Bilanz abzulesen ist, werden diese kaufpreiserhöhenden und -reduzierenden Faktoren in der Transaktionspraxis kontrovers diskutiert und folgen keineswegs immer einem Marktstandard – oder gar international anerkannten mathematischen Formeln. In größeren Transaktionen mit hohen Bankschulden werden kleinere Abzugspositionen weniger ins Gewicht fallen und in den Verhandlungen zu vernachlässigen sein. Gerade aber bei kleineren mittelständischen Transaktionen werden auch vermeintlich untergeordnete Beträge wichtig und wesentlicher Bestandteil der Gespräche – insbesondere wenn es sich um nicht klar zuzuordnende Bilanzpositionen handelt. Im Folgenden sollen deshalb kurz die kritischen Bestandteile der Überleitung vom Enterprise auf den Equity Value erörtert werden.
Zinstragende Verbindlichkeiten
Einigkeit herrscht in der Regel über den Abzug von Bankdarlehen, Anleihen, Gesellschafterdar-lehen oder sonstigem mezzaninen Kapital zum jeweiligen Übertragungsstichtag. Auch Pensionsrückstellungen stellen eine zinstragende Verbindlichkeit dar. Während der Verkäufer jedoch auf Pensionsgutachten und die entsprechende nach HGB bilanzierte Rückstellung verweist, kann der Käufer – zumindest in einer guten Verhandlungsposition – auf die Unterschiede zu einer IFRS-Bilanzierung hinweisen und einen deutlich höheren Betrag in Abzug bringen wollen. Wer hier nun im Recht und wer im Unrecht ist, liegt am Verhandlungstisch im Auge des Betrachters. Eine gewisse Kenntnis der Thematik und der Bewertungsmethodik von Pensionen ist auf jeden Fall ratsam. Zudem sollte bei Pensionsrückstellungen, sofern sie den Verkäufer selbst betreffen, aber auch bei möglichen anderen streitbaren Finanzierungselementen, im Vorfeld einer Transaktion darüber nachgedacht werden, ob diese nicht möglichst steuerneutral vorab übertragen, durch Verzicht reduziert oder anderweitig abgegolten werden können.
Einen weiteren Diskussionspunkt stellen immer wieder Betriebsimmobilien dar, die regelmäßig zu einem gewissen Teil fremdfinanziert sind. Auch Immobilienfinanzierungen sind zinstragende Verbindlichkeiten und damit grundsätzlich vom Enterprise Value abzuziehen. Verkäufer argumentieren jedoch wiederholt, dass dem ja auch ein (Immobilien-) Wert gegenüberstünde. Da jedoch für betriebsnotwendige Immobilien, wenn diese nicht mitverkauft würden, eine marktübliche Pacht zu zahlen wäre, sollte schon frühzeitig in der Vorbereitungsphase des Verkaufsprozesses bei diesem Thema Erwartungsmanagement betrieben werden. Sofern der kalkulierte Pachtmultiplikator für eine theoretische Bewertung der Immobilien einen erwarteten EBITDA- oder EBIT-Multiplikator deutlich übersteigt, ist zu diskutieren, ob die Immobilien nicht aus der Transaktion herausgenommen und stattdessen ein Mietvertrag verhandelt werden sollte. Hierdurch lassen sich auch Brücken bei der Kaufpreisfindung bauen für den Fall, dass man sich nicht auf einen Wert einigen kann. Der Verbleib der Immobilien kann einen um die Pacht mal Multiplikator reduzierten Kaufpreis für den Veräußerer, aber u. a. aus Finanzierungsgründen auch für den Käufer, attraktiv machen.
Verbindlichkeiten mit Schuldcharakter
Diese sogenannten „debt-like items“ nehmen in der Regel den größten Teil der Verhandlungen um den Eigenkapitalwert ein. Verständlicherweise sieht der Käufer bei vielen Passiva einen Schuldcharakter, während der Verkäufer diese ganz eindeutig als Working Capital definiert. Bei Steuerrückstellungen für bereits erhaltene Gewinne sowie bei klar definierbaren Einmaleffekten (z. B. Rückstellungen für einen aktuellen Rechtsstreit) wird man in der Regel einen Schuldcharakter feststellen. Nur sollte bei Abzug solcher Positionen der berühmte Double-Dip im Kaufvertrag vermieden werden, beispielsweise ein doppelter Abzug von Verbindlichkeiten in der Steuerklausel oder den Freistellungen einerseits sowie in der Nettoverschuldung andererseits. Anders verhält es sich mit Rückstellungen und Verbindlichkeiten, die wiederkehrend, also jedes Jahr in der Bilanz zu finden sind. Diese haben aus unserer Sicht in der Regel Working-Capital-Charakter und sollten – sofern vereinbart – in den Closing Accounts berücksichtigt werden, nicht in der Überleitung zum Eigenkapitalkaufpreis.
Bei anderen Passiva, wie z. B. erhaltenen Anzahlungen, muss man etwas genauer analysieren und sich das jeweilige Geschäftsmodell anschauen. Folglich empfiehlt es sich, in M&A-Prozessen auf der Verkäuferseite schon sehr frühzeitig die Einschätzung dieser Positionen abzufragen, um im weiteren Verlauf der Gespräche keine bösen Überraschungen zu erleben. Im Rahmen der Verhandlungen sollte dann eine möglichst detaillierte Bilanz Position für Position in Net Debt und Working Capital aufgeteilt und – um Missverständnisse zu vermeiden – auch Anlage zum Kaufvertrag werden. Allerdings gibt es auch bei einer solchen Aufteilung nicht immer nur schwarz und weiß. So kann es vorkommen, dass die Parteien sich über eine Position nicht einigen können und man diese Zahl als Verhandlungsergebnis prozentual auf Net Debt und Working Capital verteilt. Das ist vielleicht nicht im Sinne der Theorie, hat aber das ein oder andere Mal schon in festgefahrenen Situationen eine Einigung herbeigeführt.
Bilanzexterne Finanzierungen
Sogenannte Off-Balance-Finanzierungen, sofern sie denn im jeweiligen Fall Anwendung finden, sind oft ein wesentlicher Diskussionspunkt in der Findung des Equity Values. Angefangen bei Leasing-Verbindlichkeiten, Sale-and-Lease-Back-Verbindlichkeiten bis hin zu Forderungsverkäufen spielen hier nicht nur die Auffassung der Verhandlungsparteien eine Rolle, sondern auch die Bilanzierungsrichtlinien von Käufer und Verkäufer. Ist der Käufer zur Bilanzierung beispielsweise nach IFRS oder US-GAAP verpflichtet, werden die Off-Balance-Verpflichtungen eine größere Rolle spielen als bei nationalen Transaktionen, wo meist die HGB-Bilanzierung vorherrscht. Dies gilt unabhängig von dem Grundsatz, dass die Bilanzierungsmethode natürlich keinen Einfluss auf den Unternehmenswert haben kann.
Eine interessante Diskussion wird gerne über Forderungsverkäufe geführt. Durch Factoring erhöht sich beispielsweise die Cash-Position bzw. verringert sich die Verschuldung und führt damit in der Equity-Value-Bridge zu einer Verringerung der Nettoverschuldung. Aber kann ein Forderungsverkauf wirklich den Kaufpreis steigern? Man begegnet diesen Fragestellungen meist mit dem „Ordinary Course of Business“ (gewöhnlicher Geschäftsverlauf) sowie der Forderung nach einem normalisierten Working Capital bei Closing. Aber auch bei bilanzexternen Finanzierungen finden sich meist mindestens zwei verschiedene Meinungen, weshalb man von echten Marktstandards bei der Bewertung in der M&A-Praxis ein gutes Stück entfernt ist.
Liquide Mittel
Diese Position erscheint auf den ersten Blick recht simpel verifizierbar. Guthaben bei Kreditinstituten, kurzfristige Finanzanlagen, unstrittige Forderungen gegen das Finanzamt und Kassenpositionen sollten in Höhe des Bilanzwertes von der Verschuldung abgezogen werden. So wird es am Kapitalmarkt gemacht und auch in den meisten M&A-Transaktionen. Der Teufel steckt aber, wie so oft, im Detail. Käufer argumentieren gerne mit betriebsnotwendiger Liquidität, also einem Minimum an Cash, das über das gesamte Geschäftsjahr vorgehalten werden muss. Dieser Sockelbetrag zählt sodann nicht zu den liquiden Mitteln und findet keine Beachtung in der Kaufpreisermittlung. Als Verkäufer kann man dem beispielsweise eine stets ausreichende Kreditlinie entgegenhalten. Doch was ist betriebsnotwendig? Bei manchen Geschäftsmodellen können erhaltene Anzahlungen, die sich in der Liquidität wiederfinden, als betriebsnotwendig eingestuft werden.
Allerdings ist auch hier der Double-Dip zu vermeiden. Werden erhaltene Anzahlungen zu den Schulden gerechnet, dürfen sie nicht noch einmal die Liquidität reduzieren. Ein simples Beispiel, meist unbeachtet, sind Mietkautionen. Diese können beim Vermieter liegen oder auch – verpfändet – beim Mieter, also dem Zielunternehmen. Der „Lagerort“ kann aber nicht kaufpreisrelevant sein. Es handelt sich hier um betriebsnotwendige Liquidität. Möchte man sich diese nicht abziehen lassen, sollte im Vorfeld z. B. eine Bankbürgschaft geprüft werden, wobei man allerdings wieder bei den Off-Balance-Verpflichtungen wäre.
Nicht betriebsnotwendige Assets
Ein klassisches Beispiel für diese Position sind Grundstücke, Gebäude oder auch Gegenstände eher privater Natur (z. B. Autos, Gemälde etc.), die nicht vom Unternehmen genutzt werden. Ein Käufer hat in der Regel kein gesteigertes Interesse, diese Assets mit zu erwerben und entsprechend dafür zu bezahlen. Er hat meist keinen Nutzen hieraus; im Gegenteil: die Bewertung dieser „Nebenkriegsschauplätze“ macht die Transaktion komplexer als nötig. Von daher wird er die nicht betriebsnotwendigen Assets nicht proaktiv positiv bewerten. Der Verkäufer muss die Gegenpartei also explizit auf diese Vermögensgegenstände hinweisen und eine eigene Bewertung abfragen. Oder aber man belässt diese Assets möglichst steuerneutral beim Veräußerer bzw. verwertet sie bereits vor oder im Zuge der Transaktion und tauscht sie gegen Cash.
Sonstige Fallstricke
Selbst wenn sich Käufer und Verkäufer wider Erwarten über die Abzugs- und Zurechnungspositionen einig sind, gibt es in der Praxis so manche weitere Problemstellung. Zum einen ist hier die Informationsverfügbarkeit zu nennen. Ist die Zielgesellschaft in der Lage, verlässliche unterjährige Bilanzen zu erstellen? Welche Unternehmen aus dem Konzern bzw. Konsolidierungskreis werden bei der Berechnung mit einbezogen? Kann bzw. muss zum Stichtag ein Zwischenabschluss erstellt werden? Auch die verdeckte Gewinnausschüttung, beispielsweise durch den Erwerb von Assets unter Marktwert (durch den Verkäufer) oder die Zahlung von Erfolgshonoraren aus der Zielgesellschaft werden regelmäßig thematisiert und kontrovers diskutiert. Darüber hinaus sind manche Kaufinteressenten recht kreativ bei der Definition von individuellen Abzugspositionen, die in der Theorie gar nicht bekannt sind. Hierbei geht es meist darum, das Verhandlungsfenster möglichst weit zu öffnen und Verhandlungsmasse zu schaffen, die man an anderer Stelle eintauschen kann.
Vertragliche Gestaltung
Grundsätzlich wird die begleitende Rechtsanwaltskanzlei nach Abstimmung mit dem Veräußerer über die Abgrenzungsmethodik einen recht standardisierten Vorschlag für die Berechnung des Kaufpreises, also des Eigenkapitalwertes machen. Oftmals werden die Standard-Bilanzpositionen dem individuellen Unternehmen aber nicht gerecht. Unsere Erfahrung zeigt die Notwendigkeit, dass sowohl bei der Erstellung des Kaufvertragsentwurfs als auch später in den Verhandlungen Anwälte und M&A-Berater eng abgestimmt als Team auftreten und eine gemeinsame Sprache sprechen. Der M&A-Berater sollte zudem nicht nur bei der Definition der Kaufpreisformel, sondern auch bei der weiteren Vertragsgestaltung involviert sein. Es gilt wirtschaftliche sinnvolle Wege z. B. auch für etwaige Besserungsscheine, Verkäuferdarlehen oder alternative Transaktionsstrukturen zu finden.
Fazit
Neben der Verhandlung des Enterprise Value ist die Ermittlung des Equity Value ein ganz entscheidender Baustein in M&A-Prozessen. Die Definitionen der einzelnen Positionen basiert keineswegs auf einer marktüblichen Formel, sondern ist in den allermeisten Transaktionen dem Verhandlungsgeschick der jeweiligen Parteien bzw. ihrer Berater überlassen. Ein guter M&A-Berater wird die möglichen Abzugs- und Zurechnungspositionen frühzeitig in der Projektvorbereitung analysieren, besprechen und ggf. optimieren bzw. heilen. Gerade in kleineren mittelständischen Transaktionen, in denen auch geringere Beträge in den Verhandlungen Beachtung finden und einen hohen Stellenwert für die Parteien haben, ist es unerlässlich, einen versierten Berater mit weitreichender Erfahrung bei der Ermittlung des Equity Value bei derartigen Transaktionen an seiner Seite zu haben.
Darüber hinaus sollte früh im Prozess erkannt werden, welcher Kaufinteressent evtl. mit einem attraktiven Enterprise Value blendet, am Ende aber vieles an Wert in der Equity-Value-Bridge wieder abzieht. Dazu bedarf es neben einer guten Informationsbasis im Verkaufsmemorandum auch der frühzeitigen Abfrage der relevanten Positionen in den Angeboten und Interessensbekundungen. Eine Formulierung, die den Abzug marktüblicher Verschuldungspositionen beinhaltet, ist für einen Verkäufer meist wenig wert. In den Verhandlungen über die hier beschriebenen Positionen trennt sich nicht selten die Spreu vom Weizen. Dies erst am Verhandlungstisch zu bemerken, kann z. B. in Exklusivitätssituationen zu deutlichen Einbußen beim letztendlich vereinnahmten Kaufpreis führen.
Wir sind uns bewusst, dass es mehr als ambitioniert ist, diese komplexe Thematik auf wenigen Seiten zu diskutieren und erheben keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr geht es darum aufzuzeigen, dass die Suche nach einem geeigneten Käufer mit dem besten Bewertungsansatz nur ein Baustein im M&A-Prozess ist. Die gesamte Thematik gilt natürlich auch für die Käuferseite. Ein erfahrener M&A-Berater verlässt nach der Einigung auf einen Enterprise Value keinesfalls den (Vertrags-) Verhandlungstisch. Hier beginnen die eigentlichen Kaufpreisverhandlungen nämlich erst richtig!
Dominik Masson
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