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DownloadAls im Oktober 2013 der Voxeljet AG, einem bayrischen Hersteller von großformatigen 3D-Druck-Anlagen, der Gang an den US-Kapitalmarkt gelang, horchten viele Beobachter des Kapitalmarktes in Deutschland interessiert auf. Das Unternehmen mit einem Umsatz von lediglich EUR 8,7 Mio. im Jahr 2012 platzierte im IPO sogenannte ADRs (American Depositary Receipts) in einem Volumen von ca. USD 100 Mio. Davon flossen rund 75% dem Unternehmen als Wachstumskapital zu. Die Gesellschaft wurde zum Zeitpunkt des IPO damit mit rund USD 200 Mio. bewertet. Wer diese Bewertung bereits für ambitioniert hielt, dürfte sich gewundert haben, als der Kurs binnen weniger Wochen von USD 13 auf USD 68 und damit auf mehr als das 5-fache der IPO-Bewertung anstieg. Unabhängig davon, dass der Hype um die Voxeljet AG sich in den USA in der Zwischenzeit wieder etwas gelegt hat, – die Aktien notieren aktuell in etwa auf dem Niveau des Platzierungspreises im IPO – stellt sich die Frage, ob die Voxeljet-Transaktion ein glücklicher Zufall oder der im Hinblick auf die Bedingungen an der Frankfurter Börse systematisch logische Schritt der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter war.
Die USA verfügen nicht zuletzt auf Grund des hohen Anteils der kapitalgedeckten Altersvorsorge und damit gigantischer Anlagevolumina über den entwickeltsten Kapitalmarkt der Welt. Insbesondere in den Bereichen „Frühphase“ und „Technologie“ können Unternehmen in den USA auf ein deutlich differenzierteres Angebot an Kapitalquellen zurückgreifen. Neben der verhältnismäßig großen Landschaft privaten Risikokapitals zeigen sich insbesondere auch die organsierten Kapitalmärkte NYSE und NASDAQ derzeit als äußerst aufnahmewillig.
Während es in Deutschland bis Anfang Mai erst einen einzigen „richtigen“ IPO zu verzeichnen gab, erfolgten an den genannten Märkten im gleichen Zeitraum bereits 104 Börsengänge mit weiteren ca. 120 Unternehmen in der Pipeline. Diese große Anzahl basiert auf Mid-Cap-Transaktionen mit einem durchschnittlichen Emissionsvolumen von USD 190 Mio. Dabei liegen die Bereiche Technologie und Healthcare sowie Börsengänge mit Financial Sponsor-Hintergrund voll im Trend. Die Tatsache, dass aktuell ca. 50% der Neuemissionen diesen Jahres unter Platzierungspreis notieren, scheint der guten Stimmung keinen Abbruch zu tun.
Doch welche Relevanz haben US-Börsenplätze für deutsche Unternehmen? Momentan faktisch keine! Hier stechen lediglich die oben beschriebene Voxeljet AG sowie Rofin-Sinar Technologies, Inc. hervor. Rofin ist seit 1996 durch die Rechtskonstruktion einer US-Inc. mit der Erstnotierung an der NASDAQ gelistet. Der deutsche Messtechnikhersteller Elster Group SE wurde im Jahr 2010 durch seinen damaligen Mehrheitsgesellschafter CVC eher holprig an die New Yorker Börse geführt. Der Exit von CVC erfolgte final jedoch nicht durch ein Floating am Kapitalmarkt sondern durch einen sogenannten Secondary, also den Verkauf an einen weiteren Private Equity-Investor. Dieser hat für das Unternehmen zeitnah ein Delisting vorgenommen. Selbst deutsche Blue Chips wie eon, Altana, Telekom, Daimler und Allianz haben schon lange ihr Zweitlisting in den USA aufgegeben. Komplexität, Kosten und Haftungsrisiken, insbesondere nach den Verschärfungen der Gesetzgebung im Rahmen des Sarbanes-Oxley Acts, standen nicht mehr im Verhältnis zu dem Investorenfeld, welches ausschließlich in US-gelistete Unternehmen investiert.
Das Ergebnis der Abwägung von Aufwand und Nutzen eines US-Listings dürfte in der Vorbereitung des Voxeljet-IPO anders ausgefallen sein. Hier fokussierte man sich auf hochspezialisierte Wachstumsinvestoren, die den 3D-Druck-Markt als potentielles Feld für eine neue industrielle Revolution identifiziert haben. Die Investmentthese dieser Investoren basiert weniger auf der individuellen Analyse der unternehmensspezifischen Erfolgsfaktoren, sondern eher auf dem Potential der angewandten Technologie im Allgemeinen. So will man in allen verfügbaren „Titeln“ investiert sein. Maßgebliche Peer-Group-Unternehmen waren zudem fast ausschließlich in den USA gelistet. Um die relevanten Entscheidungsträger dieser Investoren in den USA – obwohl größtenteils zugehörig zu global agierenden Einheiten wie z.B. Fidelity oder Blackrock – optimal zu adressieren, lohnte sich offenbar der Weg über den großen Teich. Hierfür wurden signifikant höhere Kosten für den IPO selbst, aber auch eine erhöhte Komplexität durch Einhaltung von Börsenfolgepflichten in einem fremden Kapitalmarktrechtsregime sowie die Gefahr von persönlicher Inanspruchnahme in Kauf genommen. Der JOBS Act (Jumpstart Our Business Startups) für mittelständische Börsenemittenten und der Status als FPI (Foreign Private Issuer) bieten jedoch erhebliche regulatorische Vereinfachungen und könnten die Entscheidung positiv beeinflusst haben.
Doch ist für eine Adressierung relevanter Investoren in den USA tatsächlich das US-Listing eine notwendige Voraussetzung? Nach dem erfolgreichen Börsengang der Voxeljet stellten sich diese Frage offenbar auch die Entscheidungsträger der SLM Solutions Group AG, ebenfalls ein Hersteller von 3D-Druck-Maschinen. Sie entschieden sich für einen IPO auf dem heimischen Börsenplatz (Erstnotiz am 9. Mai). Mit einer Privatplatzierung nach „Rule 144a“ konnte SLM den spezialisierten Investorenkreis auch in den USA ansprechen. Wenngleich die Erwartungen der Altaktionäre sicher nicht vollständig erfüllt wurden, da man am unteren Ende der Bookbuildingspanne und unter einer Reduzierung der ursprünglich angebotenen Aktienanzahl zugeteilt hat, kann die Transaktion als Erfolg gewertet werden. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der ursprünglich geplante Umplatzierungsanteil des erst in 2012 investierten Finanzinvestors mit einer Reduktion des Anteilsbesitz von ca. 58% auf 11% für hiesige Gepflogenheiten nahe an der Schmerzgrenze gewesen sein dürfte. Die Gesellschaft konnte EUR 75 Mio. Wachstumskapital aufnehmen und wurde bei einem Umsatz von EUR 22 Mio. im Jahr 2013 pre-money mit EUR 250 Mio. bewertet. Es ist davon auszugehen, dass US-Investoren über die Rule 144a-Platzierung maßgeblich zu dem Erfolg der Transaktion beigetragen haben.
Schlussendlich werden vor dem Hintergrund der ambitionierten Bewertungen sowohl SLM mit Notiz in Frankfurt als auch Voxeljet mit Notiz in New York die Investoren mit operativer Performance überzeugen müssen. Mit Blick auf die Investor Relations wird für beide Unternehmen die räumliche aber auch die kulturelle Distanz zur Investorenbasis eine Herausforderung darstellen. Um ein konstantes Interesse an den jeweiligen Aktien im Hinblick auf hinreichende Börsenliquidität und Zugang zu weiterem Kapital zu gewährleisten, muss nachhaltig ein emittentengerechter Brückenschlag zwischen deutschem Mittelstand und US-Kapitalmarkt erfolgen.
Unter bestimmten Bedingungen, wenn z.B. Peer-Group-Unternehmen ausschließlich am US-Markt gelistet sind und relevante Investoren selbst den Gang über den Atlantik scheuen, kann ein Cross-Border-IPO eine attraktive Alternative zum deutschen Kapitalmarkt darstellen. Die Vorteile sind jedoch im Sinne des Unternehmens sorgfältig mit den Risiken und der Komplexität abzuwägen. Es werden sicherlich kurzfristig eine Reihe von Unternehmen diesen Weg intensiv sondieren. Hier ist insbesondere an Technologie-, Biotechnologie- oder auch E-Commerce-Unternehmen zu denken. Ein Massenphänomen von IPO aus eher etablierten Branchen ist jedoch nicht zu erwarten. Zudem zeigt das Beispiel SLM Solutions, dass es grundsätzlich auch möglich ist, über eine Privatplatzierung nach Rule 144a US-Spezialinvestoren erfolgreich zu adressieren.
Kritisch sollten die Akteure am deutschen Kapitalmarkt (Investoren, Banken, Unternehmen, Gesetzgeber, Börse) hinterfragen, warum der Gang an die Börse derzeit insbesondere für Wachstumsunternehmen so unattraktiv ist. In diesem Zusammenhang wäre z.B. zu diskutieren, ob Erleichterungen nach Vorbild des JOBS Acts geeignet sein könnten, auch am heimischen Kapitalmarkt wieder eine stärkere Aktivität in diesem Segment zu begünstigen. Kernherausforderung wird jedoch sein, zukünftig wieder stärker Risikokapital für börsennotierte Wachstumsgesellschaften am Standort Deutschland zu gewinnen. Langfristig könnte eine investorenseitige Fokussierung auf ausschließlich etablierte Unternehmen eine Bedrohung für die Deutsche Börse sowie ein Wettbewerbsnachteil für die gesamte Volkswirtschaft sein. Man darf mit Interesse verfolgen, ob die Initiative zu einem „Neuen Markt 2.0“, welche vom Bundeswirtschaftsministerium angestoßen wurde, zu einer entsprechenden Entwicklung beitragen kann.
M.M.Warburg verfügt im Bereich Neue Technologien wie z.B. Laser- und 3D-Druck Technologien über eine ausgewiesene Expertise. Mit unserem Kooperationspartner Stephens, Inc. aus den USA fühlen wir uns vor dem Hintergrund der jeweiligen eigenen Historie langfristigen Partnerschaften und speziell mittelständischen Kunden in besondere Weise verpflichtet. Wir stehen jederzeit gemeinsam für eine ausgewogenen Diskussion zu den erwähnten Themen Technologie-Transaktionen, IPO und Cross-Border-Transaktionen zu Ihrer Verfügung.
Karsten Müller, Corporate Finance,
Mai 2014
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