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DownloadImmer wenn Kapitalmarkttransaktionen kleiner oder mittelgroßer Unternehmen geplant werden, kommt das Thema „Liquidität“ auf den Tisch. Reichen der Streubesitz und die potentielle Liquidität, um ausreichend Investoren zu begeistern? Sind „Liquiditätsabschläge“ bei der Platzierung notwendig? Kann die „Liquidität“ auf mehrere Börsenplätze oder gar mehrere Aktiengattungen verteilt werden? Reicht die „Liquidität“ für eine Indexaufnahme? Wie hoch ist das Platzierungsvolumen im Verhältnis zum bestehenden Streubesitz? Wie schnell lässt sich eine Position über die Börse wieder verkaufen? All das sind Fragen, die so oder so ähnlich immer wieder gestellt werden. Aber hat die „Liquidität“ über die Mindestanforderungen von Investoren an den Wert des Streubesitzes oder über Indexaufnahmekriterien hinaus einen messbaren Wert?
Was ist eigentlich Liquidität? Zunächst einmal ist die Liquidität die „Dünnflüssigkeit“ einer Wertpapiergattung, also die Leichtigkeit, mit der man diese handeln kann. Als Maßstab für die Liquidität kann man vereinfacht den Spread zwischen Geld- und Briefkurs, also die impliziten Transaktionskosten, ansetzen. Je geringer der Abstand zwischen diesen beiden Preisen zu einem festgelegten Zeitpunkt an der Börse ist, desto niedriger sind die Kosten für eine gleichzeitige Ausführung eines Kauf- und eines entsprechenden Verkaufsgeschäfts. Und je niedriger die Kosten für eine Transaktion, desto leichter ist das zugrundeliegende Wertpapier handelbar. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass sich überhaupt eine Gegenpartei findet, die bereit ist, eine bestimmte Zahl an Aktien zu dem angebotenen Preis zu handeln. Die Liquidität nimmt also tendenziell bei zunehmender Ordergröße ab, weil die impliziten Transaktionskosten auch relativ höher werden. An diese Transaktionskosten sowie die Schaffung eines permanenten Handelspartners für eine definierte Stückzahl an Aktien setzt das Konzept des Designated Sponsors der Deutschen Börse zur Liquiditätsunterstützung an. Allerdings kann der Spread zwischen Geld- und Briefkurs einer Aktie je nach Marktverfassung und Handelsaktivität im Zeitablauf stark schwanken. Zudem ist der Spread und die Tiefe des Aktienbuchs – außer über einen Designated Sponsor – vom Emittenten nicht unmittelbar zu beeinflussen und damit auch kein direktes Kriterium für eine Transaktionsgestaltung.
Auch das Handelsvolumen als der in Geld gemessene Handelsumsatz in einer Aktiengattung in einem Zeitabschnitt wird als Liquiditätsmaß verwendet. Hieran knüpft das zweite Kriterium der Deutschen Börse für eine Indexaufnahme an. Auch dieser Wert ist im Zeitverlauf sehr volatil und durch den jeweiligen Emittenten allenfalls sehr indirekt zu beeinflussen.
Als drittes Kriterium für die Liquidität kann man den Anteil bzw. den Marktwert des Streubesitzes heranziehen. Der Wert des Streubesitzes ist das erste Kriterium der Deutschen Börse für eine Indexaufnahme. Dieser ist durch den Emittenten direkt beeinflussbar und deutlich weniger volatil, zeigt aber nicht wirklich den Wert der zum Handel bereitstehenden Wertpapiere bzw. die Bereitschaft der Streubesitzaktionäre, zu handeln. Auch lässt dieser Wert keinen Rückschluss auf die Nachfragesituation und die Transaktionskosten zu.
Wir haben uns für den Wert des Streubesitzes als Basis für unsere Untersuchung entschieden, da dieser Wert über einen längeren Zeitraum einen ähnlichen Wert aufweist, eine Wahrnehmung bei Investoren besitzt und bei der Transaktionsgestaltung vom Emittenten zu beeinflussen ist.
Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Liquidität einen Wert an sich hat, haben wir uns die Frage gestellt, ob und wie man diesen Wert messen kann. Unter der Voraussetzung effizienter Märkte ist es dafür erforderlich, alle übrigen wertbildenden Faktoren zu eliminieren oder zu quantifizieren und anschließend den Wert der Liquidität zu bestimmen. Dabei sollte herausgefunden werden, ob die Liquidität einen messbaren Wert hat und – sofern möglich – wie hoch dieser Wert in Abhängigkeit vom zusätzlichen Streubesitz ist.
Wir haben dazu vier Konstellationen betrachtet, nämlich erstens den Vergleich sehr ähnlicher Unternehmen mit unterschiedlichem Wert des Streubesitzes, zweitens die Kursentwicklung bei großen Umplatzierungen aus Altbesitz, drittens Preisunterschiede von Vorzugs- und Stammaktien sowie viertens eine doppelte Holdingstruktur.
In der ersten Konstellation haben wir nach weitgehend identischen Unternehmen gesucht, die sich nur durch die Größe bzw. den Marktwert des Streubesitzes unterscheiden. Hier sind wir erwartungsgemäß nicht fündig geworden, da es weitgehend identische Unternehmen nicht gibt, bei denen wir sämtliche übrigen Einflussfaktoren auf den Kurs ausschließen bzw. quantifizieren konnten.
Als zweite Konstellation haben wir Unternehmen gesucht, die durch eine große Umplatzierung von Hauptaktionären den Anteil des Streubesitzes signifikant erhöht haben. Die jeweiligen Kursverläufe haben wir gegen einen Vergleichsindex abgetragen. Sollte nun unsere Grundthese, dass Liquidität einen Wert hat, richtig sein, müsste sich diese Liquiditätsprämie nach der Platzierung sukzessive im Kurs bemerkbar machen und sich die Aktie besser entwickeln als der definierte Vergleichsindex. Allerdings lassen sich durch diese Modellkonstruktion unternehmensspezifische, über den Zeitverlauf entstehende preisbildende Einflüsse für die jeweilige Aktie nicht ausschließen, so dass hieraus allenfalls eine Tendenzaussage gewonnen werden kann. Unsere Hypothese, dass Liquidität einen messbaren Wert hat, konnte bei der Untersuchung jedoch nicht eindeutig belegt werden. Dies ist zum einen auf die geringe Anzahl an sehr großen Umplatzierungen (größer 20 % des bestehenden Grundkapitals) zurückzuführen, wodurch der mathematische Nachweis keine signifikanten Ergebnisse liefern kann. Zum anderen wirken im zeitlichen Umfeld einer Umplatzierung viele zusätzliche Einflussfaktoren auf die Börsenkurse, z. B. können Neuinvestoren aus dem Umplatzierungsdiscount resultierende Platzierungsgewinne kurzfristig mitnehmen oder der Ausstieg eines ehemaligen gutinformierten Hauptaktionärs wird als Signal verstanden. Beides belastet den Börsenkurs und damit die Kursperformance. Die zweite Modellkonstellation war somit nicht geeignet, unsere Hypothese zu bekräftigen oder entkräften, da die Grundgesamtheit zu klein war und der Effekt der Liquidität nicht hinreichend isoliert werden konnte.
Als dritte Konstellation und Kern unserer Untersuchung haben wir uns die Preisunterschiede von Vorzugs- und Stammaktien deutscher Unternehmen über einen Zeitraum von 10 Jahren (Drägerwerke: 6 Jahre; VW: 5 Jahre) angesehen und dabei die Preiseinflüsse durch unterschiedliche Dividendenrechte korrigiert. Die Anzahl der Unternehmen, welche zeitgleich Stamm- und Vorzugsaktien im Markt haben und für die zusätzlich verlässliche Daten zur Verfügung stehen, ist mit insgesamt 13 ebenfalls sehr gering. Der große Vorteil dieser Konstellation ist jedoch, dass hier weder die unternehmensspezifischen, noch die dem Zeitverlauf geschuldeten Einflüsse das Ergebnis verfälschen können, da ausschließlich die zeitgleichen Preisunterschiede der beiden Gattungen betrachtet werden. Ein besonderes Augenmerk haben wir dabei auf Unternehmen gelegt, bei denen das Stimmrecht für die Stammaktionäre des Streubesitzes faktisch bedeutungslos ist. Dies ist z. B. bei den Drägerwerken, VW, Henkel, BMW, Metro, MAN, Fuchs Petrolub, Sartorius, Sixt, Biotest und KSB der Fall. Bei allen diesen Unternehmen dominieren ein oder mehrere Hauptaktionäre die Unternehmenspolitik, so dass außenstehende Aktionäre zwar an der wirtschaftlichen Entwicklung partizipieren, ihr Stimmrecht auf der Hauptversammlung aber auch bei einer Fehlentwicklung in der Unternehmensführung nach allgemeiner Einschätzung keine signifikante Bedeutung erlangen kann. Daher sind die jeweiligen Vorzugsaktien korrigiert um den Barwert des Dividendenvorzugs weitgehend wirtschaftlich identisch mit den einflusslosen Streubesitz-Stammaktien.
Wir haben bei der Untersuchung festgestellt, dass bei größeren Unternehmen, nämlich bei den Drägerwerken, VW, Henkel, BMW, Metro, MAN und Fuchs Petrolub, der vermutete Zusammenhang zwischen höherer Liquidität, gemessen als Marktwert des Streubesitzes, und höherem Preis signifikant festzustellen ist. Bei allen diesen Unternehmen ist die Aktiengattung mit dem wertmäßig höheren Streubesitz höher bewertet. Dies sind bei den Drägerwerken, VW, Henkel, und Fuchs Petrolub die Vorzugsaktien und bei BMW, Metro und MAN die Stammaktien. Bei kleineren Gesellschaften, nämlich Biotest und KSB, konnten wir diesen Zusammenhang nicht nachweisen. Bei Sixt sind die Stammaktien, die einen geringfügig kleineren Marktwert des Streubesitzes aufweisen, deutlich teurer. Bei Sartorius konnten wir keinen signifikanten Preisunterschied zwischen den Aktiengattungen feststellen, was sich jedoch durch den sehr geringen Streubesitz der Stammaktien von nur 7 % erklären lässt.
Beispielhaft lässt sich für diesen Zusammenhang die Situation bei Henkel anführen. Der Marktwert des Streubesitzes der Stammaktien liegt bei rund EUR 10 Mrd., jener der Vorzugsaktien bei rund EUR 20 Mrd., welche einen Dividendenvorteil von EUR 0,02 pro Aktie vorweisen. Korrigiert um den Barwert dieses Dividendenvorteils waren die liquideren Vorzugsaktien im betrachteten Zehnjahreszeitraum durchschnittlich 15,5 % teurer als die weniger liquiden Stammaktien.
Interessant ist die Betrachtung der VW-Aktie. Im Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 30.6.2015, als das Unternehmen mit zwei dominierenden Großaktionären operativ erfolgreich am Markt war, waren die Vorzüge als liquidere Aktiengattung höher bewertet. Seit Mitte 2015 mit Beginn des Abgasskandals hat sich dieser Zusammenhang aufgelöst. Dies kann ein Indiz dafür sein, dass dem Stimmrecht auf der Hauptversammlung mit dem Beginn des Abgasskandals und der daraus resultierenden Unruhe von Investorenseite doch ein potentieller Wert beigemessen wird.
Wir haben nun eine Regression über die jeweiligen prozentualen Unterschiede bei Preis und Marktwert des Streubesitzes aller Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von über EUR 1 Mrd. (ausgenommen Metro und Sartorius) berechnet. Diese Betrachtung hat ergeben, dass tendenziell ein um 1 % höherer Marktwert des Streubesitzes zu einer Kurssteigerung von 0,02 % führt. Steigt beispielsweise der Marktwert des Streubesitzes einer Aktiengattung von EUR 1 Mrd. auf EUR 1,5 Mrd. (Erhöhung um 50 %), so sollte der Kurs unabhängig von anderen Einflüssen rechnerisch um rund 1 % steigen.
Als letzten und vierten Fall haben wir – quasi als Probe unserer These – eine Konstellation in den Niederlanden untersucht, nämlich die doppelstöckige Aktionärsstruktur der Heineken N.V. ( „Heineken“) und der Heineken Holding N.V. („Holding“). Die Holding hält 50,005 % der ausgegebenen Heineken-Aktien und wird selbst mehrheitlich von der Familie Heineken kontrolliert. Der einzige Zweck der Holding besteht in der Beaufsichtigung des Managements und der Verwaltung des Mehrheitsanteils, weshalb sie kein eigenes operatives Geschäft betreibt und auch nicht über ein sonstiges Vermögen verfügt. Das Besondere an der hier vorliegenden Konstellation ist, dass die Holding für jede einzelne gehaltene Heineken-Aktie eine eigene Aktie mit identischen, zeitgleichen Dividendenzahlungen emittiert hat, wodurch sich die Aktien, welche dem gleichen systematischen und unternehmensspezifischen Risiko ausgesetzt sind, wirtschaftlich entsprechen. Die Anzahl der Streubesitzaktien ist bei Heineken mit rund 157 Mio. allerdings deutlich höher als bei der Holding mit rund 53 Mio., woraus sich ein korrespondierender aktueller Marktwert des Streubesitzes von ca. EUR 11,6 Mrd. bei Heineken und ca. EUR 3,6 Mrd. bei der Holding ableiten lässt. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre liegt der Kurs der Heineken-Aktien 15,5 % über jenem der Holding-Aktien. Dies lässt sich nur über die unterschiedliche Liquidität und ggf. aus der hieraus folgenden Index-Zugehörigkeit von Heineken im niederländischen Leitindex AEX erklären.
Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass Liquidität einen nachweisbaren Wert an sich hat. Durch Regression lässt sich mathematisch ein zu erwartender Werteinfluss bei Unternehmen von über EUR 1 Mrd. Marktkapitalisierung ermitteln. Der nachweisbare Einfluss des Wertes des Streubesitzes auf den Aktienpreis nimmt mit der Marktkapitalisierung der Unternehmen ab. Daraus zu schließen, dass bei kleineren Unternehmen dieser Zusammenhang zwischen Liquidität und Preis je Aktie nicht gilt, wäre jedoch falsch. Vielmehr sind die Märkte im Small- und Mid-Cap-Segment zu ineffizient, so dass dieser Effekt von anderen Einflüssen überlagert wird. Zudem ist der Wert des Streubesitzes als Maßstab für Liquidität gerade in diesem Segment wie oben beschrieben zu mittelbar. Das Beispiel Heineken veranschaulicht abschließend noch einmal, was für einen Einfluss Liquidität in der Bewertung wirtschaftlich identischer Aktien haben kann. Als Schlussfolgerung lässt sich aus der Untersuchung schließen, dass die Liquidität zu Recht eine zentrale Rolle bei der Transaktionsgestaltung einnimmt, da sie einen positiven Einfluss auf die Bewertung durch den Kapitalmarkt hat.
Till Wrede und Sven Hasenberg,
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