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DownloadIm Venture Capital (VC) Geschäft finden regelmäßig harte Verhandlungen um die durch Anglizismen geprägten Beteiligungsverträge statt. Tag Along, Drag Along, Pay-to-Play, Vesting, Liquidationspräferenzen und viele weitere Klauseln finden sich in den Termsheets der Investoren wieder. Wichtig zu verstehen ist, warum diese angelsächsischen Konzepte in die deutsche Vertragspraxis eingezogen sind, obwohl GmbH- und Aktienrecht bereits umfängliche Rechte der Mitentscheidung, des Verwässerungsschutzes und Minderheitenrechte für die einzelnen Gesellschafter vorsehen. Die Beteiligung an jungen Wachstumsunternehmen hat eine Reihe besonderer Problemkonstellationen, die mit unserem herkömmlichen Gesetzesrecht nur unzureichend adressiert werden, wie die Informationsasymmetrie zwischen Gründern und Investoren, die unberechenbare Zukunft des jungen Unternehmens sowie natürlich die Absicherung der ambitionierten Renditeziele der Investoren. Doch schaffen diese Klauseln einen Mehrwert?
Im Venture Capital Beteiligungsvertrag (VCB) wird die Beziehung zwischen den Gründern und den neuen Investoren, seien es Business Angels oder Venture Capital Gesellschaften, geregelt. Der oder die Investoren versuchen, ihr Informationsdefizit gegenüber den besser informierten Gründern auszugleichen sowie ihr Kapitalrisiko zu minimieren. Die Gründer streben die Aufnahme von Investoren an, möchten aber auch weitgehend das unternehmerische Sagen behalten. Beide Seiten eint das Ziel eines bestmöglichen Exits.
Für diese Beziehung zwischen den Gesellschaftern gibt es ein Standardrepertoire an Klauseln, die ergänzend zur Satzung oder zum Gesellschaftsvertrag vereinbart werden. Neben den Regelungen zum Informationsfluss, diversen Garantieklauseln, der Besetzung von Geschäftsführung und Aufsichtsorgan sowie Abstimmungserfordernissen geht es vor allem um Rechte, die mit den Anteilen verknüpft sind.
Die Gesellschafter – also Gründer und Investoren – bilden eine Schicksalsgemeinschaft, deren einzelne Mitglieder sich immer zuerst an dem Interesse der Gruppe orientieren sollen. So beinhalten fast alle Beteiligungsverträge Vorkaufsrechte für die Gesellschafter, falls ein Gesellschafter ausscheiden möchte (Right of first refusal) und/oder Regelungen, die die Übertragung von Anteilen auf Dritte von der Zustimmung der anderen abhängig machen (Share Transfer Restrictions). Spannend sind die Regelungen für den Fall, dass einige oder alle Gesellschafter einen Exit planen. Sogenannte Tag Along Rights erlauben einem Gesellschafter, seine Anteile (meist quotal) mit zu verkaufen, wenn andere, meist die Gründer oder die Mehrheitsgesellschafter, dies tun. Diese Klausel reduziert das Risiko für Minderheitsgesellschafter, mit für sie fremden neuen Gesellschaftern sitzen gelassen zu werden. Korrespondierend hierzu können sich Gesellschafter, meist die Mehrheitseigentümer, das Recht einräumen lassen, dass sie die anderen Gesellschafter zur Mitveräußerung ihrer Anteile zwingen können, wenn gewisse Verkaufspreise erzielt werden (Drag Along Right).
Diese Klauseln sind sinnvoll, da die oft unsicheren Verkaufsprozesse nicht durch Einzelinteressen aufgehalten werden. Denn in der Vergangenheit gab es Fälle, in denen Minderheitsaktionäre versucht haben, ihre Gesellschaftsrechte zur Erpressung der übrigen einzusetzen, indem sie Verkaufsentscheidungen blockiert haben.
Ähnliche Vorschriften werden zumeist für den Fall eines Börsenganges vorgesehen. So verpflichten sich die Gesellschafter typischerweise, die notwendige Unterstützung zu den komplexen Vorbereitungen zu leisten, also beispielsweise einem Rechtsformwechsel oder der Verlegung des Firmensitzes zuzustimmen. Teilweise sind diese Klauseln so detailliert gefasst, dass einzelne Beschlüsse, inklusive der Beauftragung einer Investmentbank, bereits vorformuliert sind. Auch hier steht im Vordergrund, dass Einzelgesellschafter die Situation nicht für erpresserische Blockaden nutzen können sollen.
Komplex und vielfach umstritten sind die Regelungen zur Verteilung der Exit-Erlöse (Liquidationspräferenzen). Investoren wollen damit ihr Risiko absichern und eine mögliche Überrendite erwirtschaften. Wenn zum Beispiel ein VC Fonds EUR 1 Mio. auf Basis einer Post-Money-Bewertung von EUR 3 Mio. investiert – also ein Drittel der Anteile erhält – und sich eine einfache Liquidationspräferenz ausbedingt, bedeutet dies, dass er bei einem Exit zunächst sein Geld zurück erhält und erst dann der Rest quotal – teilweise nach einer festen Zuteilung an die Gründer – auf alle Gesellschafter verteilt wird. Bei einem Exit im Volumen von EUR 7 Mio. würde sich folgendes ergeben: Der Investor erhält zunächst EUR 1 Mio. zurück und von den verbleibenden EUR 6 Mio. ein Drittel , d.h. weitere EUR 2 Mio. Insgesamt erhält er also EUR 3 Mio. vom Exiterlös bzw. 43% – statt der 33%, die seinem Anteil entsprechen würden.
Die Liquidationspräferenzen haben eine Vielzahl an Ausgestaltungsmöglichkeiten. Wenn sie über mehrere Finanzierungsrunden uneinheitlich vereinbart werden, sind sie zusätzlich zu ihrer ohnehin hohen Komplexität schwer zu durchschauen.
Einige VC Investoren geben sich nicht mit einfachen Liquidationspräferenzen ab, sondern sehen Mehrfachliquidationspräferenzen bzw. Mindestverzinsungen ihres Eigenkapitals vor. Nicht unbeachtet sollte man den Zusammenhang lassen, dass ein etwaiges Zugeständnis der Investoren an die meist sehr selbstbewusste Unternehmensbewertung der Gründer durch starke Liquidationspräferenzen reduziert wird, ohne dass die Außenwirkung der Bewertung leidet.
In Deutschland hat der Kampf um die Liquidationspräferenzen derzeit etwas nachgelassen zugunsten der klassischen einfachen Liquidationspräferenz des Investors als sogenannte Downside Protection. Hintergrund ist die Erkenntnis, dass die Schlechterstellung der Anteile der Gründer und gegebenenfalls anderer beteiligter Mitarbeiter motivationshemmend und damit negativ für den Unternehmenserfolg ist. Die Liquidationspräferenz spielt praktisch dort eine große Rolle, wo ein mittelgroßer Exiterlös erzielt wird. Im Falle der – nicht seltenen – Insolvenz nützt die Liquidationspräferenz dem Investor nichts, da meist kein Vermögen mehr verteilt werden kann. Im Falle eines „ Big Hits“, d.h. einer Vervielfachung des eingesetzten Risikokapitals, fällt dagegen die Zusatzverzinsung des Investors nicht mehr so stark ins Gewicht.
Der Verwässerungsschutz (Anti Dilution) hat den Zweck, die Anteilshöhe bzw. den Gegenwert des Anteils an der Gesellschaft für den Investor zu schützen. GmbH- und Aktienrecht sehen in Deutschland zwar Bezugsrechte für die Gesellschafter bzw. Aktionäre vor; diese werden jedoch oftmals zugunsten neuer Investoren ausgeschlossen. Für diese Fälle sichern sich VC Investoren das Recht, von den Gründern oder anderen Gesellschaftern weitere Anteile zu erwerben, um ihren Kapitalanteil auch bei einer Kapitalerhöhung unter Ausschluss des Bezugsrechts zu sichern. Der Teufel liegt hier im Detail der Berechnung des Verwässerungsschutzes, die den Wert der einzelnen Anteile und das Volumen der Kapitalerhöhung berücksichtigen muss (Weighted Average-Methode). In sogenannte Down Rounds, d.h. Kapitalerhöhungen, die zu einer niedrigeren Unternehmensbewertung als der vorigen durchgeführt werden, lässt sich der Investor gern so stellen, als sei er bereits bei der vorigen Runde zur niedrigeren Bewertung eingestiegen. Entsprechend hat der Investor meist eine Kaufoption, die typischerweise zu Lasten der Gründer geht. Auch wenn diese Klauseln aus Investorensicht nachvollziehbar sind, so entsprechen sie nicht dem Zweck des Risikokapitals, nach dem das unternehmerische Auf und Ab der Start-ups mitgetragen werden muss. In Einzelfällen mag es hierfür aber gute Gründe geben. Den Beteiligten muss jedoch klar sein, dass eine Absicherung der Verwässerung im Rahmen einer Down Round eine zusätzliche Leistung ist, die in der Verhandlung ihren Wert hat.
Für nur mit begrenzten Mitteln ausgestattete Investoren ist die Pay-to-Play-Klausel ein gefährliches Instrument. Im Kern verliert der Investor Sonderrechte, wenn er an definierten Kapitalerhöhungsrunden (z.B. Series A, B) nicht teilnimmt. Dies kann ihm sogar den Verwässerungsschutz und/oder etwaige Liquidationspräferenzen kosten. Investoren, die ungewollt Opfer dieses Mechanismus werden, verlieren deshalb meist einen großen Teil ihres Ertragspotentials. In der Praxis sind davon oft die Business Angels der ersten Stunde betroffen, die bei Folgerunden mit der Finanzkraft der Venture Capital Fonds nicht mithalten wollen oder können. Kautelarjuristisch kann dem nicht viel entgegengesetzt werden, allerdings hilft hier die sorgfältige mehrjährige Finanzierungsplanung des Investors. Erfahrungsgemäß sind Start-ups, die deutlich vor ihrem siebten Jahr einen stabilen Cash Flow produzieren, die Ausnahme.
Schließlich sind für den Erfolg des Unternehmens die sogenannte Vesting-Vorschriften gegenüber den Geschäftsführern und anderen am Eigenkapital beteiligten Schlüsselpersonen von hoher Bedeutung. Das Leben junger Leute ist nun einmal bunt. Und so ist es auch der Regelfall, dass einzelne Gründer das Team über die Jahre verlassen und neue Co-Founder hinzutreten. Von einem Mitgründer, der vor einer gewissen Frist (i.d.R. mehrere Jahre) aus dem Unternehmen ausscheidet und nicht mehr mit seiner Arbeitskraft zur Verfügung steht, können die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft selbst die Anteile zurückkaufen. Die Vesting-Regeln bestimmen, ob er nach dem Verkehrswert („ Good Leaver“) oder nur nach dem Nominalwert („ Bad Leaver“) abgefunden wird. Wichtig für das Unternehmen ist, dass die Schicksalsgemeinschaft auf diejenigen konzentriert bleibt, die sich tatkräftig und/ oder finanziell weiterhin in das Unternehmen einbringen.
Betrachtet man die Klauseln aus der Sicht einer Investmentbank, so führen alle Vereinbarungen, die die Gesellschafter beim Exit in einem Boot halten (Drag Along, Tag Along, Right of First Refusal u.a.) zu den besten finanziellen Ergebnissen für alle Beteiligten. Die Bedeutung der Liquidationspräferenzen sollte dagegen nicht überschätzt werden. Beim harten Ringen um einzelne Klauseln sollten trotz vieler berechtigter Einzelinteressen die Idee der Schicksalsgemeinschaft und die Probleme der Motivationshemmung der Unternehmer nicht aus dem Auge gelassen werden. In den seltensten Fällen hat es ein VC Investor im Wesentlichen durch seine überragenden Vertragskünste zu hohen Renditen gebracht. Im Regelfall werden hierfür wohl der Deal Flow und die Kenntnisse über die Unternehmen entscheidend sein. Die gemeinsame Förderung des Unternehmenserfolgs durch alle Beteiligten bleibt der Kern des Beteiligungsgeschäfts, insbesondere im Bereich Risikokapital.
Letztlich bleibt es aber leider bei der Weisheit: Those who have the gold make the rules, wonach der aktuelle Geldgeber immer die besten Konditionen durchsetzen kann. Und daraus ergibt sich, dass die tatsächliche Fähigkeit, in Folgerunden mitfinanzieren zu können, meist einen größeren Wert besitzt als die vorangegangenen – hart verhandelten – Klauseln.
Dr. Nicholas Ziegert, Corporate Finance
September 2014
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