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DownloadJuristisch ist das Thema einfach: Gesellschaftsverträge oder Gesellschaftervereinbarung verfügen regelmäßig über klare Vorgaben. Den verbleibenden Gesellschaftern werden Vorkaufsrechte eingeräumt, die Übertragung von Anteilen ist an Zustimmungserfordernisse gebunden und für die Berechnung des Anteilswertes werden Formeln vereinbart. Oberstes Ziel dieser Vereinbarungen ist der Schutz der Gesellschaft und des verbleibenden Gesellschafterkreises. Aber welche Möglichkeiten hat der verkaufswillige Gesellschafter, einen angemessenen Kaufpreis für seine Anteile zu erzielen? Und wie geht man mit solchen Minderheiten bei börsennotierten Gesellschaften um?
Es gibt viele Gründe für einen Minderheitsgesellschafter, aus einer Gesellschaft auszuscheiden. So kann beispielsweise nach der Beendigung der eigenen operativen Tätigkeit für das Unternehmen das dort gebundene Kapital des Gesellschafters anderweitig benötigt werden oder der Gesellschafter hat nicht mehr das erforderliche Vertrauen in den Gesellschafterkreis bzw. die Geschäftsführung und möchte sich deshalb von seiner Beteiligung trennen. Der erste Schritt bei einer bestehenden Veräußerungsabsicht ist sicher die Analyse der vertraglichen Rahmenbedingungen, also insbesondere von Gesellschaftsvertrag und Gesellschaftervereinbarungen. Soweit sich dabei Einschränkungen für den Verkauf in Form von Vorkaufsrechten, Zustimmungspflichten oder sonstigen Verkaufsbeschränkungen ergeben, ist auch der zweite Schritt definiert: die Mitgesellschafter müssen über die Verkaufsabsicht informiert und der weitere Prozess muss miteinander abgestimmt werden.
Nach diesen ersten Gesprächen im Gesellschafterkreis ist es für den verkaufswilligen Minderheitsgesellschafter entscheidend, zu analysieren, welche Interessen der oder die Mehrheitsgesellschafter in Bezug auf den geplanten Verkauf haben. Hierbei können bei nicht am Kapitalmarkt notierten Unternehmen folgende Szenarien unterschieden werden:
Alle drei Konstellationen sind in der Praxis häufig zu finden. Die weitere Vorgehensweise hängt für den Minderheitsgesellschafter von der Strategie des Mehrheitsgesellschafters ab.
1. Mitgesellschafter sind zu fairen Preisen erwerbsbereit
Im Falle eines „kollegialen“ Gesellschafterkreises bestehen die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verkauf der Minderheitsanteile. Die aufwändige Suche nach einem geeigneten Käufer kann hier entfallen und die Einigung über einen angemessenen Kaufpreis sollte in der Regel durch die Einbindung von Bewertungsexperten möglich sein. Die Vorteile für die Vertragsgestaltung liegen in der Regel darin, dass Käufer und Verkäufer über ähnlich gute Kenntnisse der Unternehmung verfügen und daher Gewährleistungen sowie Kaufpreiseinbehalte nur in geringem Umfang erforderlich sein werden. Der Verkäufer sollte die positiven Rahmenbedingungen zu schätzen wissen und die eigene Position nicht überziehen. „Geheime“ Gespräche mit Dritten über alternative Kaufangebote sind selten hilfreich. Umgekehrt können Vereinbarungen über die Unterstützung der Finanzierung der Kaufpreise durch Ratenzahlung oder Verkäuferdarlehen für beide Seiten sinnvoll sein. Ob eine Beteiligung des Verkäufers an einem möglichen Gewinn bei einer Weiterveräußerung des Anteils innerhalb der nächsten Jahre sachgerecht ist, muss im Einzelfall entschieden werden.
Für den oder die Käufer stellt sich aber die Frage nach der richtigen Finanzierung des Anteilskaufs. Soweit dieser nicht aus privaten Mitteln möglich ist, kann eine Kaufpreisfinanzierung sowohl aus dem Unternehmen heraus (über Darlehen an den Gesellschafter) als auch auf Gesellschafterebene (über Lombardkredite oder strukturierte Finanzierungen) dargestellt werden. Häufig ist das Instrument der Umtauschanleihe mit Rückkaufmöglichkeit ein interessantes Instrument zur Finanzierung von Minderheitsanteilen. Als Kapitalgeber stehen Finanzinstitute, Mezzanine-Fonds oder auch Privatpersonen zur Verfügung. Private Equity ist zur Finanzierung derartiger Rückkäufe regelmäßig weniger geeignet.
2. Mitgesellschafter sind zu „Schnäppchen“-Preisen erwerbsbereit
Inwieweit ein Kaufpreis für einen Minderheitsanteil noch angemessen ist, unterliegt trotz aller verfügbaren Bewertungstheorien der subjektiven Betrachtung von Käufer und Verkäufer. Es kommt aber immer wieder zu Situationen, in denen der Mehrheitsgesellschafter eine bestehende Monopolsituation als Käufer eindeutig ausnutzt. Diese Monopolsituation kann durch vertragliche Regelungen manifestiert sein oder sich ergeben, weil notwendige Unterlagen für Kaufverhandlungen und Due Diligence nicht ausreichend zur Verfügung gestellt werden. Für den Verkauf der Minderheitsanteile gegen die Interessen der Mehrheits-gesellschafter findet sich auch ohne vertragliche Limitationen kaum ein Käufer. Eine entsprechende Marktansprache scheint nicht nur kaum Erfolgsaussichten zu haben, sie ist für den Minderheitsgesellschafter auch gefährlich. Schnell lässt sich ein Bruch der Gesellschafterverpflichtung auf Einhaltung der Vertraulichkeit konstruieren.
Dieses bedeutet, dass man um eine frühzeitige Auseinandersetzung mit dem oder den Mehrheitsgesellschaftern nicht herumkommt. Hier bewegen wir uns im rechtlichen Umfeld mit spieltheoretischen Aspekten, in dem gute Anwälte und Berater sehr wertvoll sein können. Standardlösungen gibt es für diese Fälle leider nicht.
3. Verkauf an Investoren
Bei einem Minderheitsverkauf an Investoren bietet sich weitgehend der klassische M&A-Prozess an. Sehr häufig übernimmt hier der Mehrheitsgesellschafter die Hoheit über die Veräußerung, etwa indem er die Gespräche mit potenziellen Investoren initiiert und weitgehend führt. Insbesondere in diesem Fall muss sichergestellt werden, dass die Ziele von Minderheitsgesellschafter (hoher Preis) und Mehrheitsgesellschafter (geeigneter Partner) ausgewogen verfolgt werden. Häufig unterschätzen die Mehrheitsgesellschafter die Kaufpreiserwartungen des Minderheitsgesellschafters.
Nachdem die Unterstützung der Mehrheitsgesellschafter verifiziert und die Prozessführung für den Verkauf abgestimmt wurde, gilt es zunächst, die Geschäftsführung für den angestrebten Prozess zu gewinnen. Je nach Rechtsform wird dabei mehr oder weniger Überzeugungskraft vonnöten sein.
Der Verkauf eines Minderheitsanteils wird in der Regel keine wesentlichen Abweichungen vom regulären M&A-Prozess rechtfertigen. Insbesondere wird typischerweise auch hier die Erstellung von Longlist und Unternehmensmemorandum erforderlich sein. Die Shortlist sollte mit den Mehrheitsgesellschaftern abgesprochen werden. Bei der Ansprache von Investoren ist zu berücksichtigen, dass nur eine kleinere Gruppe von Finanzinvestoren für den Kauf von Minderheitsanteilen offen ist und diese regelmäßig frühzeitig eine Gesellschaftervereinbarung mit den Mehrheitsgesellschaftern abstimmen wollen. In diesen Vereinbarungen werden neben den Mitspracherechten insbesondere Exit-Vereinbarungen (Drag along/Tag along) einen hohen Diskussionsbedarf auslösen. Neben diesen ausgewählten Private-Equity-Fonds spielen Family Offices eine wichtige Rolle bei Minderheitstransaktionen. Diese sind in den Verhandlungen von Gesellschaftervereinbarungen teilweise flexibler, dafür in Bezug auf Kaufpreise restriktiver. Inwieweit auch strategische Investoren in derartige Transaktionen einbezogen werden sollten, muss im Einzelfall entschieden werden.
Der Verkauf einer Minderheit wird die Geschäftsführung in der Regel ähnlich stark belasten wie ein Gesamtverkauf eines Unternehmens. Hierbei stellt sich natürlich die Frage, ob die Geschäftsführung und die involvierten Mitarbeiter auch vergleichbar incentiviert werden dürfen. Aus unserer Sicht ist dies immer dann möglich und sinnvoll, wenn die Incentivierung mit den Mehrheitsgesellschaftern abgestimmt und letztlich vom Minderheitsgesellschafter getragen wird.
Bei am Kapitalmarkt gelisteten Unternehmen sind die Veräußerungsmöglichkeiten regelmäßig vielfältiger. Auch hier können drei Strategien unterschieden werden, die allerdings nicht direkt mit der Interessenlage möglicher Mehrheitsgesellschafter verknüpft sind. Ein Verkauf von Minderheitsanteilen kann hier im Wege
Dabei stellt sich die Frage, welche Strategie wann eingesetzt werden sollte.
1. Accelerated Bookbuilding
Im Accelerated Bookbuilding erfolgt die Veräußerung des Minderheitsanteils an verschiedene professionelle Investoren im Wege eines kurzfristigen Angebots. Üblicherweise wird ein solcher Verkaufsprozess nach Börsenschluss begonnen und soll möglichst vor Wiedereröffnung am nächsten Handelstag abgeschlossen sein. Ob die Platzierung einer Beteiligung über ein Accelerated Bookbuilding möglich ist, hängt von der Marktkonstitution, der Marktkapitalisierung bzw. dem Streubesitz, dem Handelsvolumen der Aktie, der Equity Story, den aktuellen Analystenmeinungen zur Aktie und natürlich dem Umfang der zu platzierenden Beteiligung ab. Dabei steigt mit wachsender Marktkapitalisierung und steigendem Streubesitz auch der Prozentsatz einer möglichen Umplatzierung. Häufig kann bei einer Marktkapitalisierung zwischen €100 Mio. und €500 Mio. und einer durchschnittlichen Streubesitzquote ein Aktienpaket von 10 bis 20% des Grundkapitals im Wege des Accelerated Bookbuilding platziert werden. Unter idealen Umständen, insbesondere bei höheren Marktkapitalisierungen, ist auch die Platzierung größerer Aktienpakete über dieses Verfahren denkbar. Andererseits sind auch Rahmenbedingungen vorstellbar, bei denen die Umplatzierung materieller Beteiligungen über dieses Verfahren ausgeschlossen ist.
2. Paketverkauf
Soweit der Verkauf im Wege des Accelerated Bookbuilding als nicht möglich oder unsicher erscheint, besteht die Möglichkeit eines Paketverkaufs an einzelne Finanzinvestoren. Die dabei erzielbaren Kaufpreise werden regelmäßig unterhalb des aktuellen Börsenkurses liegen. Dieser Prozess lebt von der guten Einschätzung der interessierten Investoren durch den Berater. Regelmäßig werden für einen solchen Prozess klassische Kapitalmarktinvestoren, vereinzelt aber auch Family Offices geeignete Erwerber sein. Eine breite Ansprache ist aus Vertraulichkeitsgründen generell nicht möglich.
3. M&A-Prozess
Spätestens wenn es um die Umplatzierung eines Anteils von mehr als 30% geht und damit im regulierten Markt auch die Abgabe eines Übernahmeangebots erforderlich wird, ist ein M&A-Prozess für den Verkauf des Minderheitsanteils empfehlenswert. Ausgangspunkt eines solchen Prozesses wird im Regelfall eine Abstimmung mit dem Vorstand sein, ob dieser für Investorengespräche zur Verfügung steht und eine Due Diligence zulässt. Hierbei hat der Vorstand natürlich die Interessen der Gesellschaft zu vertreten und muss nach rechtlicher Beratung entscheiden, welche Investoren er zulassen will und wie mit Ad-hoc-Pflichten umgegangen werden soll. Zu berücksichtigen ist hier auch, dass die öffentliche Information über eine Verkaufsabsicht diesen Verkauf in aller Regel erheblich erschweren wird.
Wenn die Unterstützung der Transaktion durch den Vorstand gesichert ist, wird der M&A-Berater abwägen müssen, ob es sinnvoll erscheint, das anzubietende Aktienpaket durch eine Einbeziehung weiterer wesentlicher Aktionäre in den Verkaufsprozess zu vergrößern. In aller Regel wird ein Käufer, der ein Übernahmeangebot abgeben muss, am Erwerb eines möglichst großen Anteils an dem Unternehmen interessiert sein. Zumindest der sichere Erwerb von mehr als 50% wird in aller Regel angestrebt. Eine solche Ansprache ist nicht ganz unproblematisch. So steigt mit der Anzahl der über die Verkaufsabsicht informierten Personen die Gefahr für die erforderliche Vertraulichkeit. Außerdem bekommen in derartigen Konstellationen nicht selten die im Prozess auf eine denkbare Mitveräußerung angesprochenen weiteren Minderheitsaktionäre das Gefühl, offensichtlich das wichtige Zünglein an der Waage zu sein, was sie sich nicht selten extra entlohnen lassen möchten.
Neben der Verifikation des verfügbaren Aktienpaketes stellt sich auch die Frage nach der notwendigen Dokumentation für die Transaktion. Nach unseren Erfahrungen ist es trotz der umfangreichen öffentlich zugänglichen Informationen über ein börsennotiertes Unternehmen empfehlenswert, ein Unternehmensmemorandum zu erstellen und für den Verkaufsprozess zu verwenden. Weiterhin ist es für den Prozess wichtig, die Shortlist der Investoren so kurz wie möglich zu halten und die Ansprachestrategie für jeden einzelnen von ihnen genau festzulegen. Notfallpläne für den Fall des Bruches der Vertraulichkeit sind für diese Prozesse noch wichtiger als bei privaten Transaktionen.
Soweit ein geeigneter Investor gefunden ist, gilt es, zu entscheiden, ob das verfügbare Aktienpaket erworben und anschließend ein Pflichtangebot abgegeben werden sollte, oder ob nach der Vereinbarung einer Kaufoption für das Paket ein freiwilliges Erwerbsangebot unterbreitet wird. Die Wahl des Verfahrens ist natürlich auch abhängig von der geforderten Transaktionssicherheit der Verkäufer. Häufig favorisiert der Käufer das freiwillige Erwerbsangebot, um die Mindestannahmeschwelle (z.B. 75%) als Nebenbedingung des Angebots formulieren zu können. Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass die Nennung einer solchen Schwelle das Erreichen dieser konterkarieren kann. Wir haben Anfang des Jahres zwei Übernahmeprozesse begleitet. Im ersten Fall, der MeVis Medical Solutions AG, konnten wir dem Investor, der Varian Medical Systems, Inc. etwa 72% der Anteile fest anbieten. In dem freiwilligen Erwerbsangebot mit einer Annahmeschwelle von 75% wurden dann aber - trotz eines hohen Aufschlages gegenüber dem damaligen Börsenkurs - kaum weitere Aktien angedient und Varian musste auf die Einhaltung der Mindestannahmeschwelle verzichten. Im zweiten Fall, der Hawesko Holding AG, hatte die anbietende Tocos Beteiligung GmbH im Erwerbsangebot auf Höhe des aktuellen Börsenkurses deutlich gemacht, keine besonders hohe Andienung anzustreben und überschritt dann doch die Schwelle von 75% der Aktien.
Insgesamt bleibt festzustellen, dass die Veräußerung von Minderheitsanteilen sowohl bei privat gehaltenen als auch bei börsennotierten Gesellschaften eine besondere Herausforderung darstellt, die individuell betrachtet werden muss. Bei kleineren Anteilen bietet dabei die Börse eine sehr viel höhere Flexibilität, aber auch bei größeren Paketen ist man an der Börse zumindest nicht von den Interessen der Mehrheitsgesellschafter abhängig.
Dr. Jens Kruse, Corporate Finance
November 2015
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